„Die Einsamkeit des Amtes“ – Gestern Abend erklärte Vize-Kanzler Habeck, warum es nicht unverzüglich Neuwahlen geben wird.
Bzw. er erklärte bei Markus Lanz die Entscheidung des Bundeskanzlers.
Er verweist unter anderem auf die Erfahrungen in der Weimarer Republik.
Uwe Gerber
Wikipedia: Vertrauensfrage
Entstehung
Die Weimarer Verfassung von 1919 (WRV) kannte weder eine Vertrauensfrage noch das konstruktive Misstrauensvotum. Vielmehr enthielt ihr Art. 54 WRV die Vorschrift, dass der Reichskanzler und die Reichsminister „zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags“ bedürfen. Sie mussten zurücktreten, wenn der Reichstag ihnen durch „ausdrücklichen Beschluss“ das Vertrauen entzog. Dieses sogenannte destruktive Misstrauensvotum ermöglichte es dem Reichstag, den Reichskanzler (oder einen Reichsminister) zur Amtsaufgabe zu zwingen, selbst wenn die das Misstrauen aussprechende Parlamentsmehrheit keine gemeinsame Politik verband. Der Reichstag besaß damit im Gegensatz zum Bundestag ein indirektes Mitspracherecht, was die Zusammensetzung der Reichsregierung betraf.
Das Problem des Systems lag darin, dass sich im Parlament rein negative Mehrheiten finden konnten, die zwar eine Regierung stürzten, aber keine neue ins Amt brachten. Dies wurde besonders virulent 1932, als die Reichskanzler Franz von Papen und Kurt von Schleicher keine Unterstützung oder Tolerierung der Parteien erwarten durften. Durch den Zusammentritt des Reichstags und die sofortige Rücktrittsforderung war die Regierung von Papen im November gestürzt worden, und von Schleicher musste dasselbe befürchten, als Ende Januar 1933 der Reichstag wieder tagen würde.
Die Regelungen der Art. 67 und Art. 68 GG, also des konstruktiven Misstrauensvotums und der Vertrauensfrage, stärken die Position des Regierungschefs und verringern die Möglichkeiten für politisch gegensätzliche Fraktionen, gemeinsam einen missliebigen Bundeskanzler aus dem Amt zu befördern. Gleichzeitig schwächt das Grundgesetz auch die Position des Bundespräsidenten zu Gunsten des Bundeskanzlers. Da die Bundesminister zu ihrer Amtsführung ausschließlich des Vertrauens des Bundeskanzlers bedürfen und weder vom Bundespräsidenten noch vom Bundestag ihre Ablösung durchgesetzt werden kann, ist der Bundeskanzler im politischen System der Bundesrepublik das zentrale politische Handlungsorgan.
Der Bundeskanzler besitzt somit eine im Gegensatz zum Reichskanzler massiv gestärkte Position. Dennoch bleibt er über die Möglichkeit der jederzeit möglichen Abwahl durch eine neu formierte Parlamentsmehrheit an das Parlament gebunden. Die Position des Bundespräsidenten ist hier weitaus schwächer als in Weimarer Zeiten, da der Reichspräsident den Reichskanzler und jeden seiner Minister jederzeit auch ohne Zustimmung des Parlaments entlassen konnte.
Spiegel: Bundeswahlleiterin warnt vor »unabwägbaren Risiken« bei einer Neuwahl im Januar
FAZ: Kleinparteien sehen sich vor Neuwahl benachteiligt