Gefälschter Impfpass: Anklage wegen Verdacht auf fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung im Zusammenhang mit Coronainfektion gegen eine Ex-Angestellte eines Pflegeheims

Verdacht auf Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung im Zusammenhang mit Coronainfektion

Anklage gegen Angestellte eines Pflegeheims in Hildesheim

Die Staatsanwaltschaft Hildesheim hat Anklage gegen eine 45-jährige Angestellte eines Hildesheimer Pflegeheims zur großen Strafkammer des Landgerichts Hildesheim erhoben.

Der Mitarbeiterin des Heims wird fahrlässige Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen zur Last gelegt.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen täuschte die Angeschuldigte durch Vorlage eines gefälschten Impfzertifikats eine doppelte Impfung gegenüber ihrem Arbeitgeber vor.

Aus diesem Grund wurde ihr unter Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften auch die weitere Tätigkeit im Heim erlaubt, obwohl sie am 26.11.2021 telefonisch die Infektion ihres in ihrem Haushalt lebenden Sohnes mitteilte.Wäre dem Arbeitgeber bekannt gewesen, dass die Angeschuldigte tatsächlich nicht geimpft war, hätte sie ihren Dienst nicht antreten dürfen und sich in Quarantäne begeben müssen.

Spätestens drei Tage später soll die Angeschuldigte bereits selbst unbemerkt mit dem Coronavirus infiziert gewesen sein und einen Kollegen bei einer Kaffeepause an diesem Tag angesteckt haben.

Dieser soll bis zum 3.12.2021 seinen Dienst weiter fortgesetzt haben, ohne von seiner Infektion zu wissen. In den Folgetagen kam es im Heim zu drei weiteren Infektionen beim Pflege- und Reinigungspersonal und elf Ansteckungen unter den Bewohnern.

Unter anderem sollen sich eine 93-jährige, eine 85-jährige und eine 80-jährige Bewohnerin infiziert haben, wobei diese Infektionen nach dem Ergebnis der Ermittlungen zumindest mittelbar durch die Angeschuldigte verursacht worden sein sollen.

Die drei Bewohnerinnen verstarben im Laufe der Zeit, wobei die rechtsmedizinischen Untersuchungen zu dem Ergebnis kamen, dass die Coronainfektion bei der 80-jährigen todesursächlich gewesen sein soll. Bei den beiden anderen Geschädigten sollen andere Ursachen nicht auszuschließen sein.

Hinsichtlich der weiteren infizierten Personen wurde die Strafverfolgung gemäß § 154 a StPO beschränkt.

Die Angeschuldigte soll sich am 30.11. krankgemeldet haben. Am 7.12. soll sie telefonisch ihrem Arbeitgeber mitgeteilt haben, dass ihr Lebensgefährte, der ebenfalls an Corona erkrankt sei, wegen des schweren Verlaufs ins Krankenhaus gekommen sei.

Im Verlauf dieses Gesprächs soll der Arbeitgeber die Angeschuldigte an die Vorlage des Impfausweises erinnert haben, worauf die Angeschuldigte ein Foto ihres Impfausweises übersandt haben soll.

Eine spätere Durchsuchung und Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons der Angeschuldigten hat dies bestätigt.

Da die Angeschuldigte bei ihrem Arbeitgeber als Impfgegner bekannt war, holten diese Informationen über den Impftermin und die Chargennummern ein, aus denen sich ergab, dass es sich um eine Fälschung handeln müsse. Aus diesem Grund erstattete die Heimleitung am 10.12.2021 Strafanzeige gegen die Angeschuldigte wegen Urkundenfälschung. Die Ermittlungen insoweit laufen gesondert.

Im Laufe der Ermittlungen wurden PCR-Abstriche der verstorbenen Bewohnerinnen, der Angeschuldigten und ihres zwischenzeitlich verstorbenen Lebensgefährten gesichert und zur Analyse und sog. Genomsequenzierung an unterschiedliche Labore übersandt.
Die Probe der Angeschuldigten wurde im Labor jedoch versehentlich vernichtet.

Unter Berücksichtigung des Vorliegens der Probe des verstorbenen Lebensgefährten der Angeschuldigten, der innerhalb des fraglichen Zeitraums nicht im Pflegeheim aufhältig war, konnte ein Sachverständiger eine Ganzgenomsequenzierung sowie eine Variantenzuordnung mit Berechnung eines phylogenetischen Baumes durchführen.

Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass die festgestellten Unterschiede an den Proben minimal seien und eine klare Abgrenzung zu anderen Sequenzen erkennbar sei. Es könne daher eine zusammenhängende Infektionskette vermutet werden.

Die Angeschuldigte hat die Nutzung eines gefälschten Ausweises eingeräumt, sich zu den weiteren Vorwürfen jedoch nicht geäußert.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hätte die Angeschuldigte erkennen können und müssen, dass sie sich durch engen Kontakt mit einer infizierten Person auch hat infizieren können und dadurch die Heimbewohner, die teilweise gesundheitlich vorgeschädigt waren, durch ihr Verhalten in die Gefahr einer schweren, ggf. auch tödlich verlaufenden Infektion gebracht hat.

Quelle: Staatsanwaltschaft Hildesheim, Pressemitteilung vom 13.07.2022

 

 

Berichterstattung in mehreren Medien, darunter heute im Spiegel +