Vivantes: TV-Entlastung und „TVöD für alle“ für Vivantes nicht tragbar

Tarifforderungen gefährden Zukunft der Versorgung

Die Berliner Krankenhausbewegung und ver.di fordern Vivantes zu Tarifverhandlungen über einen „Tarifvertrag Entlastung“ und „TVöD für alle“ auf. Diese Forderungen finden in Berlin z.T. große Unterstützung. Eine Umsetzung der Forderungen hätte für Vivantes – vor allem aber für das Land Berlin – gravierende Konsequenzen: Angesichts des nicht nur bei Vivantes, sondern bundesweit fehlenden Fachpersonals, wären die Vorgaben des TV-Entlastung nur umsetzbar, indem weniger Patient*innen behandelt werden. Diese Einschränkung der Versorgungskapazitäten hätte bei Vivantes einen Abbau von 360 – 750 Betten zur Folge. Im Ergebnis würde daraus auch ein Abbau von 870 – 1.300 Stellen und ein zusätzliches Defizit in Höhe von 25 – 45 Mio. Euro resultieren. Mit einer Umsetzung des „TVöD für alle“ auch in den Vivantes-Tochtergesellschaften kämen weitere Kosten in Höhe von 35 Mio. Euro pro Jahr dazu. In der Summe würde Vivantes dadurch dauerhaft zu einem Subventionsbetrieb, dessen enorme Defizite vom Land Berlin zu tragen wären.

Vivantes hat im Verhandlungsverlauf mit ver.di stets deutlich gemacht, dass sich das Unternehmen für zeitgemäße und marktgerechte Arbeits- und Vergütungsbedingungen der Beschäftigten in den Vivantes Tochterunternehmen einsetzt. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind allerdings schwierig. Vivantes hat das vergangene Jahr (2020) bereits mit einem negativen Ergebnis (– 30,5 Mio. Euro) abgeschlossen. Einer der Gründe besteht darin, dass die Personalkosten stärker gestiegen sind als die Leistungen und Einnahmen in den Kliniken. Die Personalkostenquote bei Vivantes ist seit 2016 von rund 66 Prozent auf aktuell 78 Prozent gestiegen. Das ist auch im Branchenvergleich sehr hoch.

Dr. Johannes Danckert, kommissarischer Vorsitzender der Vivantes Geschäftsführung: „Als kommunaler Klinikkonzern haben wir einen Versorgungsauftrag für das Land Berlin zu erfüllen. Und als Arbeitgeber setzen wir uns für gute Arbeitsbedingungen unserer Beschäftigten ein. Die jetzt im Raum stehenden Forderungen sind aber für unser Unternehmen wirtschaftlich nicht tragbar. Mit der Umsetzung der geforderten Tarifverträge kämen zusätzliche Belastungen in Höhe von 35 Mio. Euro plus 25 – 45 Mio. Euro pro Jahr auf uns zu. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen können wir diese nicht eigenständig erwirtschaften, die Defizite müsste dann das Land Berlin tragen. Ohnehin gilt: Um die Versorgung nachhaltig sicher zu stellen, benötigen wir als kommunales Krankenhausunternehmen eine angemessene finanzielle Ausstattung. Das betrifft sowohl das allgemeine Vergütungssystem für Krankenhäuser als auch die Investitionsmittel durch das Land Berlin.“

Vivantes würde sofort mehrere hundert Pflegekräfte einstellen, wenn sie verfügbar wären

Um die Folgen eines TV-Entlastung abzuschätzen, hat Vivantes die Inhalte der Regelungen zur Entlastung für das Universitätsklinikums Schleswig-Holstein analysiert. Auf Vivantes übertragen hieße das: 650 examinierte Pflegekräfte müssten eingestellt werden – bei vertragskonformer Anwendung der dortigen Vereinbarung. Vivantes verfügt längst über diese Stellen. Um sie zu besetzen, gibt es aber nicht genügend Fachkräfte. Diese Lücke ist faktisch weder durch Neueinstellungen noch durch Leasingkräfte zu schließen. Die vorgeschriebene Personalbesetzung pro Patient*in könnte daher nur erreicht werden, indem die stationäre Versorgung eingeschränkt wird.

Ein TV-Entlastung ist nur mit weniger Behandlungen und mehr Leasing zu hohen Kosten umsetzbar

Wie stark die Versorgung reduziert werden müsste und welche Mehrkosten durch einen TV-Entlastung entstehen, richtet sich letztlich danach, wie viele Leasingkräfte konkret verfügbar sind und wie viele Betten zusätzlich zur Erzielung der vorgeschriebenen Entlastung abgebaut werden müssten. Die bei Vivantes bisher errechneten Szenarien zeigen momentan einen notwendigen Abbau von 360 bis zu 750 Betten. Daraus ergibt sich ein reduzierter Personalbedarf von 870 bis zu 1.300 Stellen im Bereich von Ärzt*innen, Funktionsdiensten, Verwaltung und Service. Zudem entstehen daraus weitere Jahresfehlbeträge von 24 bis 45 Mio. Euro pro Jahr.

Dorothea Schmidt, Vivantes Geschäftsführerin Personal: „Gute Gesundheitsversorgung ist nur mit qualifizierten und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möglich. Wir sind jedoch der Auffassung, dass zeitgemäße Arbeits- und Vergütungsbedingungen auch den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und inhaltlichen Möglichkeiten unseres Unternehmens Rechnung tragen müssen. Vivantes hat bereits viel getan, um die internen Arbeitsbedingungen – insbesondere in der Pflege – zu verbessern. Die weitere Entlastung von Pflegekräften muss mit anderen Mitteln erreicht werden als einem TV-Entlastung. Der Verweis von ver.di auf bestehende Entlastungverträge mit Universitätskliniken verkennt, dass für diese andere rechtliche und finanzielle Prämissen gelten. Wenn auf der einen Seite mit Entlastung geworben wird, darf aber auch die „Kehrseite der Medaille“ nicht unerwähnt bleiben – und diese bedeutet Leistungseinschränkungen sowie Personalabbau bei anderen Berufsgruppen.“

Die Arbeitsbelastung von Pflegekräften bei Vivantes konnte deutlich reduziert werden

Vivantes hat in den vergangenen Jahren konzernweit kontinuierlich Personal aufgebaut: 2013 beschäftigte das kommunale Klinikunternehmen knapp 15.000 Mitarbeitende, 2017 waren es mehr als 16.000 und 2020 bereits knapp 18.000. Insbesondere für Pflegekräfte besteht kein Einstellungslimit, um Pflegefachkräfte wird intensiv geworben. Die Arbeitsbelastung von Pflegekräften bei Vivantes konnte dadurch deutlich reduziert werden. So hat sich die Zahl der belegten Betten pro Vollzeitkraft in den vergangenen Jahren ebenso reduziert wie die jährliche Fallzahl pro Vollkraft im Pflegedienst. 2011 betreute eine Vollkraft im Pflegedienst bei Vivantes im Schnitt 6,6 belegte Betten, 2015 waren es 6,2 und 2019 noch 5,4. Im Jahr 2011 lag die jährliche Fallzahl je Vollkraft in der Pflege bei 63,8 Patienten*innen, 2015 waren es 63,2 und 2019 noch 58,2.

Vivantes setzt auf die Ausbildung von Fachkräften

Vivantes arbeitet bereits heute auf allen Ebenen daran, die Arbeitsbedingungen seiner Beschäftigten, insbesondere in der Pflege, kontinuierlich zu verbessern. Dazu investiert das Unternehmen u.a. massiv in die Ausbildung künftiger Fachkräfte. Mit rund 1.700 Ausbildungsplätzen in sieben Gesundheitsberufen (Stand Juli 2021), davon rund 1.000 im Pflegebereich, ist Vivantes bereits jetzt einer der größten Ausbildungsbetriebe im Gesundheitswesen. In den vergangenen Jahren hat Vivantes die Zahl der Pflege-Ausbildungsplätze bereits um mehrere hundert Plätze gesteigert: Im Januar 2015 waren noch 896 Auszubildende bei Vivantes beschäftigt, darunter 715 in Pflegeberufen.  Bis 2023 wird Vivantes alleine in der Gesundheits- und Krankenpflege die Zahl seiner Ausbildungsplätze weiterauf rd. 1.400 erhöhen.

Quelle: Vivantes, Pressemitteilung vom 16.08.2021