Zur Frage, ob ehrenamtliche Aufwandsentschädigungen in Selbstverwaltungskörperschaften der Sozialversicherungspflicht unterliegen?
Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 25.06.2015 (Az L 5 KR 125/13) entschieden, dass die „Aufwandsentschädigungen“, welche die Kreishandwerkerschaft Mittelholstein ihren Kreishandwerkermeister (Vorstandsvorsitzenden) in den Jahren von 2006 – 2009 gezahlt hat, der Sozialversicherungspflicht unterliegen.
Das Landessozialgericht stufte hierbei den Vorstandsvorsitzenden im sozialversicherungsrechtlichen Sinne als nichtselbstständig Beschäftigten ein, weil
- er auch als Vorstandsvorsitzender als Teil des Organs „Vorstand“ hinsichtlich der Erfüllung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben selbst einer (Rechts-)Aufsicht unterliegt, in diesem Fall durch die übergeordnete Handwerkskammer und durch die Mitgliederversammlung und er
- über die reinen Aufgaben als Repräsentationsträger hinaus eine ganze Reihe weiterer regulärer und für ein derartiges Amt üblichen Aufgaben ausübt und welche als Verwaltungstätigkeiten zu qualifizieren sind.
Das Landessozialgericht führt weiterhin aus, dass sich der Senat der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 27. Januar 2010 – B 12 KR 3/09 R – m.w.N.) anschließt, wonach auch Träger eines Ehrenamtes im kommunalen Bereich grundsätzlich in einer abhängigen Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV stehen, wenn sie über Repräsentationsfunktionen hinaus dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten. Weder deren – kommunalrechtliche – Rechtstellung als Organ oder Mitglied eines Organs einer (Gebiets-)Körperschaft des öffentlichen Rechts noch die Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung ohne Bezug zu einem konkreten Verdienstausfall schließen danach die Annahme einer versicherungspflichtigen und beitragspflichtigen Beschäftigung aus.
Die Rechtsstellung der betroffenen Kreishandwerkerschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts und deren Aufbau entspricht dem von anderen Selbstverwaltungskörperschaften.
Der Bundesverband für freie Kammern e.V. hat am 30.09.2015 darauf hingewiesen, dass das Urteil „nach Meinungen von Experten auf die Kammerorganisation vollständig übertragbar“ ist und nun erhebliche Nachforderungen der Sozialkassen drohen könnten. In einem auf dem Kammerrechtstag Ende September 2015 gehaltenden Vortrag gelangte der Referent Herr Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Breidenbach zu dem Fazit:
Nur eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wird die gewünschte Rechtssicherheit bringen; bis dahin sollte versucht werden, eine Entscheidung des BSG – ggf. über eine Sprungrevision – zum Ehrenamt in der funkionalen Selbstverwaltung zu erreichen.
Außerdem spricht er die Empfehlung aus, dass die Kammern die Initaitive ergreifen und ein „Clearingverfahren“ einleiten sollten.
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Rechtsquellen: | |
§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV | Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen… Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. |
Das Landessozialgericht: Die auf § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV gestützte Entscheidung der Beklagten, von der Klägerin Beiträge wegen einer Beschäftigung des betroffenen Beigeladenen zu 1) als Kreishandwerksmeister nachzufordern, weil dieser versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt worden sei, beruht auf dem Beschäftigungsbegriff des Sozialgesetzbuches. Versicherungs- und beitragspflichtig ist in der Sozialversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie gemäß § 25 Abs. 1 SGB III, wer in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV steht.
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