Über die Bezeichnung „Kinderzahnarzt“

Über die Angabe und werbliche Verwendung der Bezeichnung „Kinderzahnarzt“, hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen unter dem Aktenzeichen 13 A 1384/10 am 25.05.2012 eine jetzt veröffentliche differenzierte Entscheidung getroffen.

Die wichtigsten „Regel-Passagen“ aus dem Urteil:

  • Bei der Frage, ob der Begriff „Kinderzahnarzt“ missverständlich und irreführend ist, ist auf die Sicht der Erziehungsberechtigten abzustellen, …
  • Dieser Personenkreis hat vorrangig ein erhebliches Interesse an weitergehenden Informationen darüber, wer im Bereich der Kinderzahnheilkunde nachhaltig tätig ist…
  • Da dem Begriff „Kinderzahnarzt“ sowohl sach- als auch personenbezogene Aspekte innewohnen, verbindet der betroffene Personenkreis mit dem Begriff „Kinderzahnarzt“ nicht nur eine auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern ausgerichtete Praxis,…. sondern auch eine besondere persönliche Qualifikation des behandelnden Zahnarztes.
  • Mithin geht das verständige Publikum von der Vorstellung aus, dass ein „Kinderzahnarzt“ nachhaltig auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendzahnheilkunde tätig ist, also jedenfalls überwiegend Kinder/Jugendliche behandelt, sich viel Zeit bei der Behandlung von Kindern nimmt und auf Grund seiner besonderen Erfahrungen und Kenntnisse auf dem Gebiet der Kinderzahnheilkunde intensiv auf die kindliche Psyche eingeht, um mögliche Ängste vor zahnärztlichen Untersuchungen und Maßnahmen abzubauen.
  • Zugleich ist mit dem Begriff „Kinderzahnarzt“ auch die Vorstellung verbunden, dass die Warte- und Behandlungsräume in besonderem Maße auf Kinder ausgerichtet sind, z. B. durch das Vorhandensein zusätzlicher Spielsachen oder eine sonstige kinderfreundliche und kindgerechte Ausstattung…
  • Für diese sowohl die Praxisausstattung als auch auf die persönliche Qualifikation des Zahnarztes in den Blick nehmende Auslegung des Begriffs „Kinderzahnarzt“ spricht auch das Verständnis des eigens gegründeten Bundesverbandes der Kinderzahnärzte (BuKiZ e. V. – www…. de -).
  • Der Verband macht die Mitgliedschaft eines Zahnarztes davon abhängig,
    • dass der Betreffende seine Arbeitszeit überwiegend der Kinderzahnheilkunde widmet
    • und seinen Praxisablauf sowie seine Praxisorganisation und –einrichtung auf „dieses spezielle Patientengut“ ausgerichtet hat
    • wobei er sogar noch eine erfolgreich abgeschlossene Spezialisierung des Zahnarztes fordert…
  • Entgegen der Auffassung der Beklagten täuschen die Kläger mit ihrer Bezeichnung „Kinderzahnarzt/Kinderzahnärzte“ und „Kinderzahnarztpraxis“ indessen nicht über das Führen einer nach der Berufsordnung nicht vorgesehenen Fachzahnarztbezeichnung.
  • Zwar verbindet – wie dargestellt – der betroffene Personenkreis mit der Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ einen Zahnarzt, der im Bereich der Kinderzahnheilkunde nachhaltig tätig ist.
  • Daraus folgt aber nicht zugleich, dass die potentiellen Patienten vom Vorliegen einer qualifizierten speziellen Weiterbildung im Sinne einer mindestens dreijährigen Fachzahnarztausbildung (vgl. § 2 Abs. 2 WO) ausgehen.
  • Dies gilt umso mehr, als vorliegend die Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ und nicht etwa „Zahnarzt für Kinderzahnheilkunde“ in Rede steht.
  • Lediglich letztere Wortkombination könnte eine Nähe und Vergleichbarkeit zum „Fachzahnarzt für …“ suggerieren und damit beim verständigen Patienten den Eindruck erwecken, als sei die Bezeichnung Ausdruck einer besonderen durch förmliche Weiterbildung erworbenen Qualifikation und als habe sich der Betreffende einer entsprechenden Weiterbildung unterzogen…
  • Dieser Eindruck wird mit dem – schlagwortartig verkürzten und inzwischen auch bekannten – Begriff des „Kinderzahnarztes“ aber gerade nicht erweckt.
  • Auch vor dem Hintergrund einer im Laufe der Zeit intensiveren Information insbesondere über das Internet, einer ständig zunehmenden Kenntnis und eines größer werdenden Verständnisses für berufsbezogene Umstände bei Ärzten und Zahnärzten kann mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass den maßgebenden Verbraucher- und Patientenkreisen der Unterschied zwischen der (Facharztqualifikation) des „Kinderarztes“ und dem schlagwortartigen Begriff des „Kinderzahnarztes“ im dargestellten Sinne … bekannt ist.
  • Für den großen Bekanntheitsgrad des „Kinderzahnarztes“ spricht neben der Existenz des Bundesverbandes der Kinderzahnärzte auch, dass im Internet unter dem Stichwort „Kinderzahnarzt“ eine Vielzahl von Ergebnissen angezeigt wird. Mit Blick darauf ist aber davon auszugehen, dass der betroffene Personenkreis mit einem „Kinderzahnarzt“ nicht zwingend eine Facharztqualifikation verbindet.
  • Die Möglichkeit der Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten berücksichtigt, dass den Angehörigen freier Berufe im geschäftlichen Verkehr Raum bleiben muss für interessengerechte und sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt. In Bezug auf die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten bei Zahnärzten ist anerkannt, dass nicht irreführende Hinweise (mit dem Zusatz Tätigkeitsschwerpunkt) auf eine tatsächlich erfolgte Spezialisierung keine berufswidrige Werbung darstellen, wenn die Spezialisierung möglicherweise, aber nicht notwendig auf einer Fortbildung beruht, sofern die entsprechenden Erfahrungen vorliegen.
  • Angesichts des schützenswerten Vertrauens des maßgeblichen Personenkreises in die Überprüfbarkeit der persönlichen Qualifikationen eines „Kinderzahnarztes“ muss zurückstehen, dass der Begriff des Kinderzahnarztes – für sich gesehen – schlagwortartig griffiger und eingängiger als die Angabe eines „Tätigkeitsschwerpunkts Kinderzahnheilkunde“ ist…
  • Allerdings erfordert gerade der – inzwischen – große Bekanntheitsgrad des Begriffs „Kinderzahnarzt“ und die damit verbundene erhebliche Ausweitung des erreichbaren Personenkreises die Klarstellung, dass im Interesse der Qualitätssicherung die Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ nur in Verbindung mit der Erfüllung der Voraussetzungen für die Angabe eines „Tätigkeitsschwerpunkts Kinderzahnheilkunde“ in Betracht kommt.