KZV Berlin-Motto: Das steht uns zu ! – Was schert uns eine aufsichtsrechtliche Beratung?

Wenn ein Vorsitzender einer Vertreterversammlung einer (zahn-)ärztlichen Körperschaft vor Eintritt in die Tagesordnung unter dem zustimmenden Gemurmel der meisten Anwesenden die nichtmedizinische Öffentlichkeit ausschließt, dann muß der nicht eingeweihte Beobachter den Eindruck gewinnen, es gelte etwas zu verbergen. Dem war am frühen Abend des 21. November 2011 im noblen Teil des Berliner Bezirkes Charlottenburg (gleich neben dem Friedhof Grunewald) wohl auch so.

Bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin (KZV) war eine außerordentliche VV-Sitzung angesetzt. Einziger Tagesordnungspunkt: „Zahlung der Rechtsanwaltskosten an den Vorstand der KZV Berlin“. Es ging um die schlappe Summe von 77.090 €, wie aus einem aufsichtsrechtlichen „Beratungs“-Schreiben der Berliner Gesundheitsbehörde vom 26. Oktober 2011 hervorgeht, das der dfg-Redaktion vorliegt. Dabei handelt sich um rechtsanwaltliche Beratungskosten nach einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, die der KZV-Vorsitzende Dr. med. dent. Jörg-Peter Husemann (62) und sein Stellvertreter Dr. med. dent. Karl-Georg Pochhammer (57) von ihrer Körperschaft erstattet haben wollen. Und von dem böse, zahnärztliche Zungen behaupten, daß sie die Summen schon erhalten hätten. Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. Im deutschen Gesundheitswesen werkeln offenbar auch Männer in führenden Positionen, die man wohl mit Fug’ und Recht zum „Stamme nimm“ rechnen darf. Gegen den Widerstand der Aufsichtsbehörden, aber mit dem jeweiligen Segen ihrer Vertreterversammlungen (VVen) streichen und strichen sie Spesen und zusätzliche Aufwandsentschädigungen ein, deren Höhe so manchem Werktätigen die Tränen in die Augen treiben könnte.

Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz kämpft als zuständige Aufsichtsbehörde schon seit Jahren gegen KZV-Usancen an. Doch so lange die entsprechenden Mehrheiten in der VV der Körperschaft hinter dem früher ehrenamtlichen, jetzt hauptamtlich tätigen Tandem „stehen“, sind der Behörde buchstäblich die Hände gebunden.

Am 26. Oktober 2011 griff die Verwaltung zum letzten, friedlichen Mittel und „beriet“ die Körperschaft dahingehend, den am 17. Oktober 2011 mit Mehrheit gefällten Erstattungsbeschluß der VV „nicht auszuführen“.

Über den Ausgang der VV-Beratungen am 21. November 2011 liegen der dfg-Redaktion keinerlei Informationen vor – die Öffentlichkeit war ja ausgeschlossen worden und eine Stellungnahme zur Causa lag bis zum Redaktionsschluß dieser dfg-Ausgabe nicht vor.

Die diversen Zusammenkünfte der VV-Vertreter haben eine lange Vorgeschichte. So richtig transparent wurde die Geschichte erst, als die heutige Bundesvorsitzende der LINKEN, Dr. phil. Gesine Lötzsch MdB (50), in den Jahren 2006 und 2007 die Alt-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt MdB (62) mit Anfragen nach dem Geschäftsgebaren der KZVen nervte. Unter anderem stand dabei die delikate Affaire in der Hauptstadt zur Debatte, die spätestens Ende 2005 mit dem Einrücken der Staatsanwaltschaft bei der KZV Berlin publik geworden war. Die Details entnimmt man einem dickleibigen Beamten-Rapport. Der trägt das Datum 26. Oktober 2007, stammt vom Berliner Landeskriminalamt, hat 133 Seiten und ist betitelt „Bericht über die Auswertung der bei der KZV Berlin am 8. Dezember 2005 sichergestellten Unterlagen“. Das KZV-Duo Husemann/Pochhammer amtierte schon 2001 und war anscheinend – wie andere in der KZV Berlin auch – so exakt wie gut beim Abrechnen. Genüßlich listeten die Staatsbeamten die Details auf, u.a. zu den Stichworten Sitzungsgelder, Aufwandsentschädigungen, Reisekosten und Bewirtungen. Die Kollegen vom Bundesrechnungshof (BRH) hätten nicht akribischer sein können. Für einsame Rotwein-Abende ist die Lektüre mehr als spannend, weil ein Normalbürger sich kaum die Finessen ausdenken kann und wird, was man alles so zu Lasten der Gemeinschaftskasse nebenbei „abrechnen“ kann. Die früher schon üppigen, monatlichen Ehrenamtsentschädigungen der Berliner zahnärztlichen Körperschaft dürften auf diese Art und Weise erheblich aufgestockt worden sein.

Nur, die Affaire verlief sich – ohne Nachhall oder personelle Auswirkungen. Denn schließlich hatten entweder der Vorstand oder aber die VV der KZV die Ausgaben abgenickt oder durch entsprechende Beschlüsse die Grundlagen für die Abrechnungsweise geschaffen. Alles war durch sorgfältige Entscheidungen sanktioniert, ein Aufstand der Basis erfolgte nicht, das Duo wurde Anfang 2011 im Amt bestätigt (vgl. zuletzt dfg 4 – 11, S. 15.).

“Das steht uns zu“, dürfte also die Devise der Vorstände schon zu ehrenamtlichen Zeiten gewesen sein. Und als Hauptamtler wollen sie erst recht arbeitsrechtlichen Aufwendungsersatz bzw. machen einen Schadenersatzanspruch geltend. Als die Staatsanwaltschaft gegen das Duo „wegen des Verdachts der Untreue“ ermittelte, engagierte man eine Edel-Sozietät zur rechtlichen Unterstützung. Staranwälte pflegen mit der Rechtsanwaltsgebührenordnung wenig anzufangen, sie rechnen lieber „Stundensätze“ ab. Die fallen an, ob der Mandant herausgepaukt wird oder nicht. Das Honorar der Juristen überstieg die Haftpflichtleistung um ein Vielfaches. Jeweils über 7.000 € erstattete die Versicherung dem Duo schon – den übersteigenden Rest soll die KZV zahlen.

Das finden weder die parlamentarische Opposition in der KZV-VV noch die Aufsichtsbehörde ausnehmend gut. Schon am 17. Februar 2006 erhob die Berliner Senatsverwaltung schwere rechtliche Bedenken gegen die „Gewährung von Rechtsschutz“ in dem Fall. Und blieb – die Parteibücher der Senatoren wechselten – bei dieser Rechtsauffassung. Die KZV-Führung wie auch ihre VV-Mehrheit störte es nicht. Man sah sich im Recht. Zumal die Staatsanwaltschaft das Verfahren später einstellte – weil eben die notwendigen VV-Beschlüsse über die Gewährung der üppigen Sonderzahlungsmodalitäten vorlagen. Also aus dieser Sicht: Alles rechtens. Ob die körperschaftlichen Gebote der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten werden, die das SGB in solchen Fällen verfügt, darüber kann man sicherlich trefflich streiten. Auch stellt sich die Frage, ob das gezeigte Abrechnungsverhalten des Duos sich mit gewissen ethischen Grundsätzen noch vereinen läßt. Es bleibt also ein „Geschmäckle“. Die VV-Mehrheit nimmt das zum Wohle der Berliner Zahnärzte hin.

Noch bleibt offen, ob sich der ab dem 1. Dezember 2011 amtierende neue Berliner Gesundheitssenator – zur Zeit wird der CDU-Experte Mario Czaja MdA (36) als heißester Kandidat „gehandelt“– entschließt, in diesem Abrechnungsfall die Gerichte anzurufen. Zu empfehlen wäre es ihm.

 

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von
Dienst für Gesellschaftspolitik, dfg