KZV Berlin: Update zu: Vorstand bei Anhörung im Abgeordnetenhaus
Update zu: KZV Berlin: Vorstand bei Anhörung im Abgeordnetenhaus – bzw. vor dem Gesundheitsausschuss
Das Wortprtokoll der Anhörung vom 20.01.2025 liegt jetzt vor:
Ausschuss für Gesundheit und Pflege: Mitglieder
Punkt 3 der Tagesordnung
a) Perspektiven und Probleme der zahnärztlichen Versorgung in Berlin
(auf Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD)
b) Bürokratieabbau in der ärztlichen- und zahnärztlichen Versorgung in Berlin – Wie kann Berlin zur Entlastung von ambulant-ärztlichen und -zahnärztlichen Praxen durch Bürokratieabbau beitragen?
(auf Antrag der AfD-Fraktion)
Hierzu: Anhörung
Wie bereits eingangs vorgestellt, begrüße ich dazu jetzt noch einmal ganz herzlich Herrn Dr. Andreas Hessberger, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin – KZV Berlin –, und Herrn Dr. Karsten Heegewaldt, Präsident der Zahnärztekammer Berlin. Herzlich willkommen und danke, dass Sie sich heute die Zeit nehmen! Seitens des Landesamts für Gesundheit und Soziales – LAGeSo – begrüße ich ebenfalls noch einmal Herrn Dr. Matthias Merx, Leiter der Abteilung für Gesundheit und Verbraucherschutz. Schön, dass Sie heute auch hier sind! – Ich habe auch gesehen, es ist wieder die Zeit der Schülerpraktikantinnen und Schülerpraktikanten, diese begrüße ich auch alle einmal recht herzlich und freue mich, dass heute so viele im Publikum sitzen und dieser spannenden Anhörung beiwohnen! – Ich gehe davon aus, dass die Anfertigung eines Wortprotokolls gewünscht ist. – Da nicken alle ganz eifrig. – Wird die Begründung des Besprechungsbedarfs zu Punkt 3 a durch die Fraktion der CDU und/oder die Fraktion der SPD gewünscht? – Das macht Herr Zander, dann haben Sie das Wort!
Christian Zander (CDU): Vielen Dank! Ich kann das ganz kurz machen. – Ich freue mich auch, dass Sie hier sind. Sie haben ja von der Zahnärzteschaft im letzten Jahr einige Kundgebungen gehabt und auch Protestaktionen gestartet, um darauf hinzuweisen, dass im Bereich der Zahnärzteschaft nicht alles eitel Sonnenschein ist und nicht alles Gold ist, was glänzt im Zahn. Daher wollten wir das Thema auch auf die Tagesordnung nehmen, damit Sie darstellen können, in welche Richtung das Ganze aktuell läuft – nicht, dass wir nachher wieder so tun, als wären wir überrascht, und sind in derselben Situation wie bei Versorgungsstrukturen im Bereich der Kinderärzte und Hausärzte. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, auch was die Demografie bei Ihnen anbelangt. Sie hatten auch in Sachen MVZs eine sehr steile Änderung, die Entwicklung hat sich aber langsam ein bisschen abgeflacht. Das Thema Bürokratie ist bei dem anderen Besprechungspunkt dabei, da ist auch sehr viel bundesgesetzlich verursacht, aber vielleicht können Sie darstellen, was es hier durch die Landespolitik oder durch die Landesverwaltung gibt, das Sie belastet. Zu den konkreteren Fragen kommen wir dann erst später.
Vorsitzende Silke Gebel: Vielen Dank! – Ich schaue zur AfD-Fraktion. Möchten Sie Ihren Besprechungspunkt auch kurz begründen? – Dann Herr Ubbelohde!
Carsten Ubbelohde (AfD): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Ich begrüße natürlich die beiden Kollegen der zahnärztlichen Körperschaften auch sehr herzlich! Sowohl die zahnärztliche als auch die ärztliche Versorgung genießen in Deutschland und auch international einen hervorragenden Ruf – noch, könnte man sagen. Sowohl die Freiberuflichkeit als auch die Selbstverwaltung sind Säulen dieses Erfolgs, und dieser Erfolg ist nicht selbstverständlich. Die Herausforderungen, die wir alle aus unseren sonstigen Besprechungspunkten kennen – Personalmangel und sonstige Unwägbarkeiten, wie Preissteigerungen et cetera –, werden durch die Aktionen der Politik der letzten Jahrzehnte und nicht erst der letzten Jahre leider verschärft und gefährden die ambulante Versorgung konkret. Die Niederlassungsbereitschaft als ein Indiz dafür, wie es der ambulanten Versorgung geht, hat deutlich nachgelassen und damit gefährdet sie natürlich den Bestand dessen, was wir als selbstverständlich hinnehmen. Es gibt eine Schere zwischen der zunehmenden Abnahme der Ärzte – ein Indikator dafür ist auch das Stören der Bürokratie in der täglichen Herausforderung in den Praxen, was wir immer wieder erfahren, auch bei der Demonstration, an der ich im Sommer des letzten Jahres teilgenommen habe, um zu erfahren, wie die Dinge dort stehen – und der gleichzeitig steigenden Behandlungsnachfrage. Die Gebührenordnung für Zahnärzte wurde seit 1988 nicht aktualisiert, und die gedeckelten Honorare stehen einer Erwartungshaltung unbegrenzter Mengenausweitung sowohl der Politik als auch der Bevölkerung gegenüber. Wir haben es mit einer unsinnigen Bürokratie in weiten Teilen zu tun. Das Personal ist bei den Ärzten sechs Stunden in der Woche, bei den Mitarbeitern pro Mitarbeiter zweieinhalb Stunden in der Woche nur mit Bürokratie beschäftigt. Ich darf aus meiner eigenen Tätigkeit sagen, dass ich diese Zahlen für eher zu niedrig als zu hoch erachte.
Ich möchte auch nicht verhehlen, warum ich diesen Punkt hier ansprechen möchte, denn ich denke, dass es in weiten Teilen der Parteien, die mir hier gegenübersitzen, ein ideologisch bedingtes Misstrauen gegenüber Freiberuflichkeit, Eigenverantwortung und einem von staatlichen Zwängen freien Arzt-Patienten-Verhältnis gibt. Das kritisiere ich, das kritisieren wir. Es gab in der Zeit der Merkel-Regierung eine Initiative zur Reduktion der Bürokratie. Da wurde das Gesundheitswesen ausdrücklich ausgenommen. Es gibt ein Bürokratieentlastungsgesetz der jetzigen Noch-Bundesregierung mit einem Effekt, der gegen null geht. Ich nenne einmal ein paar kurze Beispiele, bevor ich dann auch enden möchte: Die Telematik, also das Kartenlesegerät, um es vereinfacht auszudrücken, führt in den Praxen aufgrund von häufigen Abstürzen der Software und Fehleranfälligkeit der Konnektoren zu erheblichem Frust. Wir haben es mit Hygienedokumentationspflichten und einem aufgeblähten Qualitätsmanagementsystem zu tun, das zum Teil doppelte Anforderungen stellt, wo eine einfache Anforde-rung, wenn überhaupt, ausreichend wäre. Wir haben einen Datenschutz, der anders als in Dänemark, das wir hier im Ausschuss letztes Jahr besucht haben, deutlich aufgebläht ist, wie ich finde. Wir haben einen wirklichkeitsfremden Arbeitsschutz, der beispielsweise eine Leiterbeauftragte in der Praxis vorsieht, die eine Schulung durchführen muss, damit sie eine Übersicht hat, wer in der Praxis auf die Leiter steigen darf. Leute, ich sage das mal so salopp, ihr seht es mir nach: Das kann es nicht sein. Insofern halten wir diesen Besprechungspunkt für sehr wichtig, damit es auch weiterhin eine hochwertige zahnärztliche, aber auch ärztliche Betreuung in Berlin und in Deutschland geben wird. – Vielen Dank!
Vorsitzende Silke Gebel: Vielen Dank! Dann kommen wir jetzt zur Anhörung unserer Experten. – Wer von Ihnen fängt an? – Herr Dr. Hessberger, dann können Sie jetzt starten. Sie haben ja diese Uhr, das wissen Sie. Dann haben Sie so ein Gefühl, wie lange Sie sprechen.
Dr. Andreas Hessberger (KZV Berlin): Einen wunderschönen guten Morgen auch von meiner Seite! Als ich die Frage und die Einladung erhalten habe, habe ich das zum Anlass genommen, im Hause nachzufragen, ob Beschwerden von Patienten über nicht erfolgte Behandlungen und so weiter vorliegen: Nein, das kann man verneinen. Wenn man sich jetzt die Papierseite anschaut, also die objektive Seite, dann ist Berlin im Augenblick in einer sehr komfortablen Lage. Wir liegen in der Versorgung im Augenblick noch quasi im Optimum. Das ist anders als in fast allen anderen Bundesländern. Aber hinter diesem vordergründigen positiven Befund liegt eine größere Bewegung, die auch politische Ursachen hat und nicht frei von Schwierigkeiten ist. Es ist zum Beispiel so, dass wir definitiv einen Konzentrationsprozess von Praxen zum Zentrum hin haben. Das ist grundsätzlich erst einmal kein Problem, denn wir haben ermittelt, dass die Patienten im am schlechtesten versorgten Bereich, das ist Spandau – der am besten versorgte Bereich ist Charlottenburg –, diesen Weg hinnehmen und dort auch ausreichend versorgt werden.
Wir haben noch eine weitere Herausforderung: Berlin wächst, und Berlin wächst nicht wenig, in den letzten 10 Jahren fast 10 Prozent – allein in den letzten beiden Berichtszeiträumen, die schon abgeschlossen sind, von 2022 auf 2023, um etwa 44 500 weitere Einwohner. Die Zahl der Zahnarztäquivalente hat in der Zeit nur um 27 Personen zugenommen. Das heißt, wir sind in der Lage, dass wir im Grunde genommen den Versorgungsgrad damit sogar weiterhin abbilden können. Ich sage deswegen 27 Versorgungsäquivalente, weil wir dort nicht nach Köpfen gehen, sondern auch die Arbeitszeit von Angestellten mit einfließen lassen – und das ist die dramatische Veränderung: Wir haben in den letzten 10 Jahren einen Rückgang der niedergelassenen Vertragszahnärzte um gut 600 und eine Zunahme der Angestelltenäquivalente – zwei halbe sind ein ganzer – auch um 600. Das heißt im Grunde genommen: Wir haben hier eine Flucht, möchte ich fast sagen, aus der Niederlassung in die Anstellung, und das hat durchaus politische Gründe. Da ist die Finanzierung in Berlin ein Problem. Weil wir hier eine ausreichende Versorgung haben, führen Leistungszusagen der Politik, die nicht im Budget abgebildet sind, natürlich zu Finanzproblemen. Das größere Problem ist aber die Bürokratie, und diese Bürokratie hat, was die kassenzahnärztliche Seite angeht, vor allen Dingen den Bund im Blick. Da kommen, salopp gesagt, die größeren Zumutungen her.
Wenn ich mir jetzt einmal zwei Punkte herausgreifen darf, die uns gerade das Leben schwer machen: Im Sozialgesetzbuch V, § 372 Absatz 3, steht, dass nur noch zertifizierte Systeme in der IT verwendet werden dürfen. Auf der anderen Seite hat die Politik dort die Zertifizierungsgrenzen so hoch gezogen, dass nach Stand Dezember, also vor Weihnachten, ein Drittel der Praxen diese Anforderung nicht erfüllt. Das bedeutet effektiv, und das ist aktuell unsere größte Herausforderung, dass möglicherweise in den nächsten Monaten ein Drittel der Praxen nicht mehr abrechnen darf. Das wird jetzt politisch noch entschärft, die Regierung hat es auf den letzten Metern noch versucht, aber das Gesetz ist nicht mehr zur Abstimmung gekommen. Wir versuchen jetzt, durch vorläufige Zertifizierung irgendwie eine Einigung zu erreichen, damit wir diese Praxen nicht komplett vom Netz nehmen. Das ist für mich wieder ein Beweis, dass die Politik hier leider, vielleicht wohlmeinend, aber effektiv sehr schädlich agiert hat.
Ein anderer Punkt, den ich mir von der Politik wünschen würde, ist die Bagatellgrenze: Wenn ich herausfiltere, dass in einem Quartal von einer Krankenkasse 1 400 Berichtigungsanträge bei uns eingegangen sind – das ist eine Excel-Tabelle – und der Wert dieser Forderungen 16 000 Euro sind, dann sind das im Schnitt 12 Euro pro Forderung: Wir machen daraus 1 400 Anhörungsbogen und kriegen nur eine kleine Zahl zurück, weil der Kollege, der noch irgendwie mitdenkt, sich sagt, für 12 Euro mache ich da gar nichts. Dann erstellen wir dazu 1 400 Bescheide, und wenn jemand sagt, er ist nicht einverstanden, dann müsste ich als Vorstand noch 1 400 Widerspruchsbescheide bearbeiten. Ich muss sagen, die Bagatellgrenze ist absolut nötig. Wenn es über den Bundesrat noch einmal eine Chance geben sollte, dann würden wir das sehr gut heißen. Für die lokalen Probleme übergebe ich jetzt an meinen lieben Kollegen Karsten. – Danke!
Vorsitzende Silke Gebel: Vielen Dank! – Dann kommen wir zu Herrn Dr. Heegewaldt, und Sie haben das Wort!
Dr. Karsten Heegewaldt (Zahnärztekammer Berlin): Frau Vorsitzende, vielen Dank für die Möglichkeit, mich hier heute zu einem wichtigen Thema zu äußern! Ich begrüße natürlich auch die Frau Senatorin und die Frau Staatssekretärin! Vielen Dank an alle Abgeordneten aus dem Gesundheitsausschuss, dass wir hier zu diesem Thema Stellung nehmen dürfen! Das Thema Bürokratie ist ein Thema, das den Praxen unter den Nägeln brennt. Ständig wachsende Bürokratie lähmt unsere Praxen. Die Bürokratielasten verstärken die Praxisaufgaben und gefährden langfristig auch die Versorgung, auch in einer Stadt wie Berlin, die gut versorgt ist – zurzeit noch – oder ich sage mal, nicht mehr gut, sondern „Geht so“-versorgt ist. Bürokratie-vorgaben sind in vielen Bereichen für ambulante Medizin überzogen und zeugen von einer Sicherheitskultur statt einer Vertrauenskultur.
Im Einzelnen: Die Berliner Zahnärztinnen und Zahnärzte gewährleisten die zahnärztliche Versorgung für die Patientinnen und Patienten auf hohem Niveau – in persönlicher Verantwortung. Für eine verantwortungsvolle, vertrauensvolle flächendeckende und wohnortnahe Versorgung benötigt es freiberuflich getragene Praxen, Sie haben es vorhin erwähnt, und die Niederlassung von Zahnärztinnen und Zahnärzten in der eigenen Praxis. Durch die deutliche Zunahme regulatorischer Vorgaben in den letzten 10 bis 15 Jahren – und ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin jetzt seit 26 Jahren in Neukölln-Nord niedergelassen – wird der Versorgungsalltag in den zahnärztlichen Praxen heute in großem Maß von Bürokratielasten und Verwaltungsaufgaben bestimmt und beeinträchtigt. 962 Verordnungen und Regeln erschweren inzwischen den Arbeitsalltag in Zahnarztpraxen. Mittlerweile gehen 25 Prozent der Behandlungszeit für Dokumentationspflichten und Verwaltungsaufgaben verloren. 96 Prozent der Zahnärztinnen und Zahnärzte fühlen sich durch die bürokratischen Anforderungen überlastet. Wertvolle Behandlungszeit, und das ist das Entscheidende, wird durch Berichtspflichten und Dokumentation mit oft fraglichem Mehrwert vernichtet. Mehr als ein Tag pro Woche wird durch die Erfüllung der Bürokratie blockiert. Informations- und Dokumentationspflichten werden jährlich sogar noch verschärft, ich komme gleich auf einen Punkt. Der Mehrwert ist offen, und angesichts des Fachkräftemangels auch in der öffentlichen Verwaltung ist eine zeitnahe und sinnvolle Verarbeitung der gesammelten Daten fraglich.
Mit Blick auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel in den Praxen – das Thema hatten wir vorhin schon – ist ein Abbau von Bürokratie dringend geboten, um benötigte personelle Ressourcen für die Behandlung von Patientinnen und Patienten einzusetzen und die Attraktivität der freiberuflichen Niederlassung zu erhalten. Wir haben auch in unseren Daten nachgesehen: In den letzten zwölf Jahren sind über 800 Praxisstandorte in Berlin ver-schwunden – zahnärztliche Praxisstandorte. Das kann man sich erst einmal gar nicht vorstellen, weil wir vor zwölf Jahren noch sehr überversorgt waren, und jetzt kommen wir in diese Richtung, dass es langsam knapp wird. Herr Hessberger hat gerade berichtet, dass in den Außenbezirken schon eine Unterversorgung läuft. Ich kann nur sagen, dass 33 Prozent der Kolleginnen und Kollegen über 60 sind und diese natürlich versuchen, in den nächsten Jahren ihre Praxen zu übergeben, was im Augenblick sehr schwierig ist, weil 63 Prozent aller angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte sagen: Für mich ist die Bürokratie ein großer Hinderungsgrund, eine eigene Praxis zu übernehmen. – Das heißt, die Probleme kommen in den nächsten Jahren dringend auf uns zu.
Eine Onlinebefragung von Zahnärztinnen und Zahnärzten hat nach besonders belastenden und zeitintensiven Bürokratieaufwänden in der Praxis gefragt und hieraus einen Maßnahmenkatalog erstellt – zusammen mit Kammern, KZVs, Bundeszahnärztekammer und KZBV. Vor allem in den Bereichen Hygiene und Qualitätsmanagement werden übermäßige Anforderungen und Dokumentationspflichten beklagt. Die ambulante Medizin wird in der Gesetzgebung und bei den Berichts- und Dokumentationspflichten mit Krankenhäusern gleichgesetzt, und das ist genau unser großes Problem: Etwas funktioniert nicht in einer großen Struktur, und das wird dann auf die Kleinstrukturen heruntergebrochen. Ich kenne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meiner Praxis, und ich weiß, was sie leisten. Wenn einmal etwas schiefgeht, wird dieses Problem im direkten Gespräch gelöst. Wenn in einem Krankenhaus beispielsweise eine Sterilisation eines bestimmten Instruments nicht funktioniert hat, dann habe ich keinen Ansprechpartner, weil das in einer Großsterilisation durchgeführt wurde. Dort sind diese Dokumentationspflichten auch richtig, aber nicht in unseren kleinen Praxen.
Konkret möchte ich deshalb vier Punkte exemplarisch benennen, in welchen das Land Berlin selbst tätig werden kann:
Eins a: Desinfektion von semikritischen Medizinprodukten mittels Wischdesinfektion: Es wird jetzt ein bisschen theoretisch, das tut mir leid, aber das ist wirklich wichtig. Das ist nämlich eine Bürokratie, die zusätzlich – on top – auf die Bürokratie kommen soll, die wir schon haben. Die obersten Landesbehörden fordern jetzt zum Beispiel eine Validierung und Dokumentation von Wischdesinfektion bei semikritischen Medizinprodukten, das heißt, die Desinfektion von Oberflächen in der Praxis bei Röntgensensoren oder Intraoralscannern, weil seit 2002 in der Betreiberverordnung steht, dass nach validierten Verfahren aufbereitet werden muss. Das hat 20 Jahre bestens über Arbeitsanweisungen in unseren Praxen und Training der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter funktioniert. Es gab null Fälle – null Fälle! – einer Infektion. Nun sollen aufgrund dieses Satzes Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ohnehin an der Belastungsgrenze sind, von externen Validierern, die in die Praxis kommen, belehrt und kontrolliert werden. Sie müssen sich vorstellen: Es soll kontrolliert werden, wie der Anpressdruck der Flächendesinfektion funktionieren soll – bei Menschen. Das soll validiert werden. Die Validierung von Menschen funktioniert aber so nicht, sondern sorgt für Ablehnung und Wut der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und führt zu zusätzlichen Kosten in unseren Praxen – ein absoluter bürokratischer Irrsinn. Es besteht ein Misstrauen gegen die hygienisch einwandfreie Desinfektion durch sehr gut qualifiziertes Fachpersonal. Das sind alles ausgebildete Kräfte. Einer Aufbereitung durch Maschinen wird eher vertraut.
Eins b: Turnusgemäße Validierung von Sterilisatoren und Autoklaven beziehungsweise Thermodesinfektoren: Im Gegensatz zur Erstvalidierung – also diese Geräte werden erstvalidiert, nachdem sie in der Praxis aufgebaut sind, was eigentlich auch schon falsch ist, weil sie bereits in der Firma validiert werden, aber da will ich mich jetzt gar nicht auslassen, es gibt genug andere Punkte – dieser benannten Geräte umfasst die turnusgemäße Validierung den gesamten Prozess der Aufbereitung nach § 8 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung. Die Instrumente oder diese Maschinen, die schon erstvalidiert worden sind, werden aber außerdem und zusätzlich – vergleichbar mit von Autoherstellern vorgegebenen Serviceintervallen beim Kfz – gemäß den Herstellerangaben regelmäßig durch externe Firmen gewartet. Durch diese von den Herstellern vorgegebenen Wartungsintervalle wird die Funktionsfähigkeit von Aufbereitungsgeräten sichergestellt. Außerdem werden sämtliche Aufbereitungsprozesse ausnahmslos dokumentiert. Dies bezieht sich auch auf fehlerhaft verlaufende Prozesse. Für die turnusgemäße Validierung dieser bereits als Medizinprodukte zugelassenen Geräte bestehen daher keine technischen und fachlichen Gründe. Zusätzlich zu den Wartungskosten entsteht dadurch ein regelmäßig wiederkehrender unnötiger Verwaltungs- und Kostenaufwand. Des-halb sollte hier nach einer erfolgreichen einmaligen Validierung des gesamten Aufbereitungs-prozesses ein Wechsel von einer turnusgemäßen zu einer anlassbezogenen Validierung bei Reparatur nach substanziellem Defekt des Geräts umgesetzt werden – weil wir die Wartung sowieso haben. Wenn ein Gerät übrigens nicht funktioniert – darin sind noch einmal zwei Messfühler –, schaltet es sich sowieso automatisch ab. Von daher ist diese turnusgemäße Validierung in meinen Augen überflüssig.
Zweitens: Reduzierung des täglichen Dokumentationsaufwands im Rahmen der Aufbereitung von Medizinprodukten: Die Dokumentation der Teilschritte bei der Aufbereitung von Medizinprodukten stellt einen zusätzlichen Mehraufwand ohne nennenswerten Nutzen und tatsächlichen Nachweis dar. In Anbetracht des akuten Fachkräftemangels wird vor allem die adäquate Durchführung der Aufbereitung und nicht die Dokumentation als relevant erachtet. Dies ist ein zeitlicher Aufwand, welcher im Zweifel zulasten der Behandlungszeit der Patientinnen und Patienten geht. Daher sollte sich vermehrt auf die Durchführung von Prozessen und natürlich die Abarbeitung von Arbeitsanweisungen und nicht auf deren Dokumentation fokussiert werden. Wir denken hier an eine Negativdokumentation. Wenn Sie mehrere Schritte in der Aufbereitung haben, müssen Sie jedes Mal einen Haken machen, jedes Mal eine Unterschrift dahinter setzen. In unseren Augen wäre es besser, wenn man eine Negativdokumentation durchführt, das heißt, wenn Schritte nicht funktioniert haben, werden sie dokumentiert, aufgearbeitet und natürlich in einer Besprechung analysiert. Das ist in einer kleinen Praxis einfach möglich, weil man, wie gesagt, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennt.
Drittens: Kombination des Hygieneplans und des Reinigungs- und Desinfektionsplans: Zur Vermeidung einer Infektionsgefährdung sind entsprechend der Gefährdungsbeurteilung die Maßnahmen im Hygieneplan schriftlich festzulegen, das heißt, Desinfektion, Reinigung, Ste-rilisation sowie Ver- und Entsorgung. Zusätzlich sind im Reinigungs- und Desinfektionsplan als Bestandteil des Hygieneplans ungefähr die gleichen Sachen aufzuschreiben. Das heißt, faktisch wird in zwei unterschiedlichen Plänen Gleiches gefordert. Wir fordern natürlich, dass das im Hygieneplan zusammengefasst wird.
Viertens: Beauftragtenwesen, wir nennen es Beauftragten-Unwesen: Ich zähle Ihnen jetzt eine Vielzahl von Beauftragten auf, die wir in unseren Praxen haben. Für eine Vielzahl müssen wir diese natürlich wegen potenzieller Gefahren bestellen. Es gibt den Abfallbeauftragten, die Brandschutzbeauftragte, die Datenschutzbeauftragte, die Druckbehälterbeauftragte, die Druckluftfachkraft, die Gefahrgutbeauftragte. Es gibt den Gefahrstoffbeauftragten, hygienisch fachkundige Personen, Laserschutzbeauftragte, QM-Beauftragte, Strahlenschutzbeauftragte, und jetzt kommt das Thema Leiterbeauftragter, das versteht kein Mitarbeiter mehr: Leiter- und Trittbeauftragter – und Kühlschrankbeauftragte. Ich muss sagen, dass das in den Praxen nicht mehr verständlich ist, um es einmal gelinde zu sagen. Diese Verpflichtungen ergeben sich aus unterschiedlichen Gesetzen und müssen von jedem Unternehmer wiederkehrend geprüft und dokumentiert werden. Kleinstunternehmen könnten vom bürokratischen Aufwand natürlich sofort entlastet werden, wenn die Inhaber selbst beauftragte Person sein könnten und die Prüf- und Dokumentationspflicht in diesem Fall hoffentlich ersatzlos entfiele.
Fazit, ich komme zum Ende: Die Coronazeit hat es unter Beweis gestellt: Von Zahnarztpraxen ging das geringste Übertragungsrisiko in allen ambulanten Praxen aus, und das – Sie kennen das selbst von Ihrem Besuch beim Zahnarzt – bei so einem Abstand. Das war meine Hauptsorge, als die Coronazeit begann: Wie ist die Übertragung? – Ich habe hier eine Aufstellung; ich wusste nicht, dass dieser Raum so groß ist, aber ich kann Ihnen das ja einmal zusammenfassen: Das sind von der Berufsgenossenschaft erfasste Covid-19-Fälle als Berufskrankheit in der Zahnmedizin. Da liegt die Zahnmedizin bei 100 Mitarbeitenden bei 0,34. Die ambulante Medizin liegt knapp um das 5-Fache höher, und der Klinikbereich liegt um das 27-Fache höher als die Zahnmedizin. Das heißt also, wir haben kein Hygieneproblem in unseren Praxen. Das Fachpersonal wird in besonderer Weise geschult und beherrscht die Hygienemaßnahmen und Aufbereitungswege im Schlaf. Immer neue Dokumentationen, Prozesse und Vorgänge lähmen die Praxis. Der Erfüllungsaufwand beträgt fast einen zweistelligen Milliardenbetrag. Der Bürokratieabbau ist nur durch einen grundsätzlichen Mentalitätswechsel und durch Vertrauen in eine herausragende Zahnmedizin – ich spreche natürlich auch für die ambulante Gesamtmedizin – und gut ausgebildetes Fachpersonal zu schaffen. Die Zahnärztekammer Berlin hat Vorschläge erarbeitet, wie die oben skizzierten Maßnahmen ohne Gefährdung der Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten umgesetzt werden können. Hier sind wir im Gespräch – auch mit dem LAGeSo, dafür danken wir –, um auf der Ebene des Gesetzesvollzugs Erleichterungen für unsere Praxen zu erreichen. Auf der Gesetzgebungsebene, dafür sind Sie als Abgeordnete zuständig, ist es aber Ihre Aufgabe, entsprechende Maßnahmen voranzubringen, und zwar sowohl im Land als auch im Bundesrat, beziehungsweise – und das ist natürlich herausfordernd, aber da bitte ich das Land Berlin, Flagge zu zeigen – bestimmte Kontrollpflichten des LAGeSo auszusetzen. Das sind genau diese Dinge, die ich gerade erwähnt habe. Die Politik muss hier endlich handeln. Ich fasse es noch einmal kurz zusammen: Sie kennen alle diesen – –
Vorsitzende Silke Gebel: Sie sind jetzt schon bei fast 14 Minuten.
Dr. Karsten Heegewaldt (Zahnärztekammer Berlin): Ich höre auf. Ich bringe nur noch ein Beispiel.
Vorsitzende Silke Gebel: Ein Satz vielleicht, das wäre toll. Danke!
Dr. Karsten Heegewaldt (Zahnärztekammer Berlin): Sie kennen alle diesen Mundspiegel, und um diesen Mundspiegel zu reinigen und zu desinfizieren, müssen 7 Verordnungen, 11 DIN-Normen, 14 Arbeitsanweisungen und 9 Dokumentationsvorgaben beachtet werden – nur einmal so. Das ist nur ein Instrument von vielen. Wir sind gern mit Ihnen im Gespräch, und wir freuen uns natürlich auch, dass wir mit dem LAGeSo im Gespräch sind, aber ich würde mich freuen, wenn man zwischen Senatsebene und LAGeSo und uns eine entsprechende Kommunikation stattfinden lassen kann, um hier Entlastung zu erreichen. – Danke schön!
Vorsitzende Silke Gebel: Weil ich gesehen habe, dass Fotos gemacht wurden, möchte ich einmal sagen: Die Fotos dürfen nur von akkreditierten Pressevertretern gemacht werden. Das heißt, Sie können sie sich dann gern zu Hause über den Bildschirm hängen. Das wollte ich nur kurz sagen, da Sie nicht im Pressebereich sitzen. Tut mir leid, dass ich heute offensichtlich sehr streng sein muss, aber das sind die Regeln, die wir uns als Parlament gegeben haben. – Dann kommen wir jetzt zur Anhörung, und ich habe schon eine Redeliste. Die gehen wir, würde ich sagen, jetzt einmal flott durch, und mit Blick auf die Zeit wäre es toll, wenn wir keine Korreferate haben. – Frau Pieroth ist die Erste.
Catherina Pieroth-Manelli (GRÜNE): Herzlichen Dank für Ihren Bericht! Das Hauptthema war ja jetzt Bürokratie, und da werden wir sicher auch über die möglichen Maßnahmen zum Abbau zu diskutieren haben. Ich würde aber meine Fragen gern auch noch in ein paar andere Richtungen lenken. Zum einen möchte ich Sie in Richtung Prävention fragen: Welche Präventionsmaßnahmen sind für die zahnmedizinische Versorgung von besonderer Bedeutung, und sollte die Zahnmedizin stärker in den Prozess der Novellierung des Präventionsgesetzes, das wir hoffentlich sehr schnell anfassen werden, eingebunden werden? Können Sie auch noch einmal etwas zur Richtlinie in Bezug auf die PAR-Neubehandlung, also Parodontitis, sagen? Das ist ja besonders problematisch: Jeder Zweite oder jede Zweite ist betroffen. Das wäre ein Themenkomplex, und vielleicht auch eine Frage zu Kroko, dem sehr bewährten Zahnputzkrokodil: Da erfuhr ich neulich bei einer Veranstaltung, dass es zum Beispiel in Unterkünften – – also wir wissen ja, dass in Tegel 10.000 Menschen leben, und da sind auch Kinder zugegen. Gibt es Möglichkeiten, diese Kinder präventiv zu behandeln?
Ein anderes Thema ist das Thema Fachkräfte, das haben Sie auch angesprochen: Da würde ich gern, gerade bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten, etwas zur Rentensituation wissen. Können Sie dazu etwas berichten? In Bezug auf Fachkräfte hat Herr Ubbelohde es auch angesprochen: die Abnahme der Zahnärztinnen und Zahnärzte. Neben der Bürokratieentlastung ist dort sicher auch die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen ein wichtiges Thema. Das haben wir im Petitionsausschuss und bei mehreren Besuchen im LAGeSo erfahren. Ich möchte Sie in Bezug auf die Anerkennung von insbesondere syrischen und ukrainischen Zahnärztinnen und Zahnärzten fragen, ob Sie Ideen haben, wie wir das bei der Zahnärztekammer beflügeln können.
Vorsitzende Silke Gebel: Vielen Dank, Frau Pieroth! – Dann hat Herr Grasse das Wort.
Adrian Grasse (CDU): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Vielen Dank an die Anzuhörenden! Meine Fragen beziehen sich mehr auf die Ausführungen, die Sie hier gemacht haben, und nicht zu weiterführenden Themen, die Sie gar nicht angesprochen haben. Ich möchte mich insofern noch einmal sehr herzlich bei Ihnen für die eindrucksvollen Beispiele bedanken, die Sie in Richtung überbordender Bürokratie gebracht haben. Es war wirklich sehr lebensnah, wie Sie das geschildert haben. Was das Thema Hygienepflichten angeht, würde ich Sie gern etwas fragen, weil Sie vorhin darüber gesprochen haben, dass Fälle auftreten und dass auch einmal etwas schiefgeht: Können Sie genau sagen, wie viele Fälle auftreten, bei denen etwas schiefgeht, bei denen am Ende auch Patienten betroffen sind? Sagen Sie doch einmal, entweder aus Ihrer Praxis oder für die Berliner Zahnärzte insgesamt: Wie viele Schäden, bei denen Patienten betroffen sind, treten pro Jahr auf, bei denen Hygienepflichten verletzt werden, oder geht es nur darum, dass Hygienepflichten sozusagen im normalen Überprüfungsprozess verletzt werden? – An den Senat richtet sich dann die Frage: Welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Wie können hier Ermessensspielräume, die offenbar seitens des LAGeSo bestehen, von der Verwaltung angesprochen werden, und wie können sie quasi breiter ausgelegt werden? Mein Eindruck nach den Ausführungen in der Anhörung ist, dass sie eher enger ausgelegt werden.
Wir sind ja gerade in Wahlkampfzeiten, wo auch fraktionsübergreifend die Meinung besteht, dass wir viel zu viel Bürokratie haben, und ich finde: Nun kann man es doch einmal praktisch und lebensnah machen. Deswegen ist der Appell von meiner Seite, aus dem, was ich hier mitnehme: Was können wir eigentlich dafür tun, um ganz konkret Bürokratie zu reduzieren? Sehr interessant war auch die Frage, was die Standorte angeht, und vielleicht dann doch noch einmal anschließend an meine Vorrednerin: Ist das überhaupt so einfach, was die Anerkennung von Abschlüssen angeht? Sind die sprachlichen Voraussetzungen überhaupt immer erfüllt? Bei Leuten, die in unser Land gekommen sind und eine Ausbildung gemacht haben, gibt es vielleicht gar nicht die fachlichen Schwierigkeiten, sondern ganz praktisch sprachliche. Das mit der Anerkennung ist in politischen Diskussionen immer so schnell herbeigerufen. Vielleicht erklären Sie uns einmal, ob es so einfach ist, wie es die Fragestellung von Frau Pieroth nahelegt. – Vielen Dank!
Vorsitzende Silke Gebel: Vielen Dank! – Frau Wahlen!
Catrin Wahlen (GRÜNE): Vielen Dank! – Wir haben ja zwei etwas unterschiedlich gelagerte Themen als Überschrift dieser Anhörung. Deswegen werde ich auch nicht weiter auf die Bürokratie eingehen, das haben wir schon sehr tiefgreifend gemacht. Meine Frage geht in Richtung Versorgung, und zwar ganz besonders in Richtung der zahnärztlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen. Gibt es genügend Behandlungsplätze für Menschen mit Behinderungen? – Sie hatten im Koalitionsvertrag festgelegt, dass Sie prüfen, ob die zahnärztliche Versorgung schwerstbehinderter Menschen ausreichend gewährleistet ist. Wir hatten ja letztes Jahr die Situation, dass Vivantes ein Zentrum zugemacht hat und dann im Virchow-Campus ein Versorgungszentrum für die Behandlung von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen unter ambulanter Narkose eröffnet hat. Die Frage ist: Hat das die Ver-sorgungslücke geschlossen, oder haben wir noch weiterhin unversorgte Menschen mit schweren Behinderungen?
Vorsitzende Silke Gebel: Vielen Dank! – Dann kommen wir zu Herrn Schatz.
Carsten Schatz (LINKE): Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Vielen Dank, Herr Dr. Hessberger und Herr Dr. Heegewaldt für die einführenden Bemerkungen! Ich habe eine Reihe von Fragen nicht nur an Sie, sondern auch an den Senat. Erst einmal: Wenn man sich die Zahlen der zahnärztlichen Versorgung in Berlin ansieht, interessiert mich, ob sich die Berechnungsmethode des Versorgungsgrads zwischen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Kassenärztlichen Vereinigung unterscheidet und wenn ja, wie? Das interessiert mich, denn zumindest bei einem Blick auf die Zahlen kann man durchaus zu dem Schluss gelangen, dass das so ist. Vielleicht können Sie mich darüber aufklären. Eine zweite Geschichte, die immer interessant ist, wenn wir über das Thema Zahnärztinnen und Zahnärzte sprechen: Wie hoch ist aus Ihrer Sicht der Anteil von Leistungen in der Zahnmedizin, die von der GKV nicht übernommen werden? Alle von uns, die zum Zahnarzt gehen, erleben ja, dass an der einen oder anderen Stelle eine private Zuzahlung als notwendig erachtet oder einem angetragen wird. Wie hoch ist denn der Anteil, auch im Vergleich zu anderen ärztlichen Fachrichtungen, und welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht denkbar, um eine gleichwertige Behandlung von gesetzlichen und privatversicherten Patientinnen und Patienten hinzubekommen? Das fängt ja schon bei einfachen Sachen wie einer Wurzelbehandlung an.
Was die Frage von Niederlassung angeht, interessiert mich, wie sich aus Ihrer Sicht die Situation von Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern darstellt. Ist aus Ihrer Sicht die Anzahl der Absolventinnen und Absolventen ausreichend, um die Kolleginnen und Kollegen auszugleichen, die den Beruf verlassen? Streben Absolventinnen und Absolventen vor allem einen Kassensitz an, oder wollen viele von ihnen vielleicht auch in eine abhängige Beschäftigung gehen, also ein Anstellungsverhältnis? Welche Problem sehen Sie bei der Übernahme von Praxen? Schließlich die Frage, und das wird nicht nur Zahnärztinnen und Zahnärzte betreffen, das wissen wir auch: Wie sieht es mit der Verfügbarkeit von Räumlichkeiten aus? Dann haben Sie die ergänzenden Versorgungsmodelle angesprochen. Sie haben sehr für die freiberuflichen Zahnärztinnen und Zahnärzte plädiert – aus Ihrer Sicht, die auch verständlich ist. Auf der anderen Seite sehen wir in den letzten Jahren auch einen Trend zur Kommerzialisierung, also Konzerne kaufen Praxen auf, stellen Zahnärztinnen und Zahnärzte an. Das hat sehr stark zugenommen. Sehen Sie da eine Notwendigkeit, dass man dort anders hineingehen muss als, sage ich mal, im profitgetriebenen System, wo es am Ende um Gewinn geht und nicht um Versorgung? Sie haben auch etwas zum Bürokratieabbau gesagt. Ich danke Ihnen wirklich für diese vier konkreten Beispiele, zu denen ich in der Tat vom Senat gern eine Meinung haben würde: Weshalb machen diese Bestimmungen, denn sie wurden ja nicht ohne Grund eingeführt, aus Sicht des Senats Sinn? – Ich finde, darüber muss man in der Tat reden, denn ich fand Ihre Argumente an dieser Stelle sehr überzeugend, was die vier Beispiele angeht. Zur Situation der zahnärztlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen hat die Kollegin Wahlen schon etwas gefragt. Wie gestaltet sich aus Ihrer Sicht die zahnmedizinische Versorgung in Pflegeeinrichtungen? Läuft es da ganz gut, oder haben wir da Versorgungslücken?
Am Ende sei mir noch ein Kommentar gestattet: – Herr Dr. Hessberger, Sie haben am Anfang Ihrer Bemerkungen gesagt, dass Sie nicht wüssten, dass Menschen eine zahnärztliche Versorgung verweigert wurde. Ich will aus einer Befragung der Deutschen Aidshilfe von 2021 zitie-ren, in der 16 Prozent der befragten HIV-positiven Menschen in Deutschland gesagt haben, dass ihnen in den letzten zwölf Monaten eine zahnärztliche Behandlung verweigert wurde. Ich kenne solche Beispiele auch aus Berlin. Insofern haben wir an dieser Stelle durchaus ein Problem. Da fand ich sehr spannend, was Herr Dr. Heegewaldt sagte, nämlich, dass wir von einer Sicherheitskultur zu einer Vertrauenskultur kommen müssen. Ich glaube, auch an dieser Stelle wäre das angebracht. – Vielen Dank!
Stellv. Vorsitzende Dr. Claudia Wein: Frau König!
Bettina König (SPD): Vielen Dank! – Ich habe nur einige kurze Fragen. Erstens würde mich noch interessieren, ob Sie etwas zu dem Rückgang der niedergelassenen Zahnarztpraxen sagen können: Inwieweit hängt das vielleicht auch damit zusammen, dass es schwieriger geworden ist, medizinisch-technische Angestellte im Bereich Zahnärzte zu finden? Wie sieht da die Fachkräftesituation aus, denn für eine Praxis ist es natürlich auch maßgeblich, dass man das entsprechende Personal findet? Dann würde ich gern wissen, wie Sie die Situation der investorenbetriebenen MVZs hier in Berlin einschätzen, also die Anzahl, aber auch, was das eigentlich mit der Versorgungsqualität macht, und ob Sie die Situation in Berlin als sehr schwierig ansehen. Das Thema Praxisräume wurde gerade schon von meinem Kollegen angesprochen: Wir kennen es von den Hausärzten, dass das ein großes Problem ist. Mich würde interessieren, ob es bei den Zahnärzten bei der Niederlassung ebenso schwierig ist. Die Bürokratie haben Sie ja sehr ausführlich dargestellt. Sie haben auf vier konkrete Punkte hingewiesen, die Berlin regeln könnte. Da würde mich noch interessieren, wie diese vier konkreten Punkte in anderen Bundesländern, vielleicht insbesondere in Brandenburg, geregelt sind – also ob es da einfacher gemacht wird, ob es da nicht ganz so bürokratielastig ist, oder ob es tatsächlich doch ein deutschlandweites Problem ist.
Vom Senat hätte ich auch gern Antworten dazu, ähnlich wie Herr Schatz, was Sie zu den vier konkreten Punkten von Herrn Dr. Heegewaldt sagen, also ob da eine Erleichterung möglich ist. Zu dem Thema mit den Bagatellgrenzen, das hier am Anfang von Dr. Hessberger erläutert wurde – das kommt ja als Bundesregelung leider nicht mehr, weil das GVSG nicht mehr kommt – möchte ich wissen, ob Sie als Land Berlin vielleicht auf Bundesratsebene dieses Thema noch einmal voranbringen wollen und können. Mich würde auch Ihre Sicht auf die investorenbetriebenen MVZs und die Situation in Berlin interessieren und wie Sie das bewerten. – Danke!
Stellv. Vorsitzende Dr. Claudia Wein: Vielen Dank! – Dann hat sich Herr Zander gemeldet.
Christian Zander (CDU): Vielen Dank! – Sie haben dargestellt, dass in den letzten 10, 15 Jahren ein Rückgang um 800 Praxen in Berlin zu verzeichnen ist, und Sie haben auch dargestellt, dass 33 Prozent der aktuell tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte über 60 Jahre alt sind. Daher interessiert mich: Wie ist es dann mit dem Nachwuchs? Wie viele Zahnärztinnen und Zahnärzte kommen jährlich über das Studium, über die Ausbildung in Berlin und in Brandenburg nach? Wie könnte man das zahlenmäßig verdeutlichen? Das heißt, wie viele Personen wären das, die in zehn Jahren voraussichtlich altersbedingt ausscheiden, und wie viele kommen neu in den Beruf, also nicht durch Umzüge, sondern einfach über die Ausbildungskapazitäten, die zur Verfügung stehen? Welches Delta haben wir da zu erwarten?
Das andere ist das Thema Bürokratie: Es arbeiten ja nicht nur Zahnärztinnen und Zahnärzte in der Praxis, sondern auch andere qualifizierte Berufe. Wie verteilt sich denn dieser Bürokratieaufwand auf die Berufsgruppen? Liegt der Löwenanteil bei den Ärztinnen und Ärzten selbst, weil sie selbstständig sind und vieles selbst machen müssen, oder auch bei den zahnmedizinischen Fachassistentinnen und -assistenten? Wie ist das Ganze aufgeteilt? Zum Bedarf oder Versorgungsgrad: Patientinnen und Patienten sind ja nicht alle gleich, sondern die einen gehen ein- oder zweimal im Jahr hin, sind paar Minuten auf dem Stuhl und gehen dann wieder, und andere finden sich dort regelmäßig mit längerem Aufwand wieder. Wenn Sie schon einmal da sind: Wie nehmen Sie allgemein, von der Tendenz her, die Zahngesundheit in der Bevölkerung wahr? Ist das eher erfreulich oder nicht so erfreulich? Gibt es da bestimmte Tendenzen, die man erkennen kann, und gibt es damit einhergehend vielleicht einen Versorgungsaufwandsanstieg oder eine Entlastung durch die bessere Zahngesundheit?
Zum Thema Erleichterung im Gesetzesvollzug haben Sie gesagt, dass Sie im Gespräch mit dem LAGeSo sind. Wie fruchtbar oder zielführend sind diese Gespräche? Man hört ja immer, dass das LAGeSo ständig neue Aufgaben bekommt, aber nicht genug Stellen und sich dann überlastet fühlt. Oftmals fragt man sich aber, ob das so in dem Umfang und der Art und Weise notwendig ist, sodass das LAGeSo eigentlich ein Interesse daran haben müsste, für eine gewisse Entlastung zu sorgen. – Deshalb würde ich gern die Perspektive des LAGeSo hören, wie man sich vielleicht auch selbst initiativ auf den Weg machen kann und sagt: Hier kommen wir zu einem anderen Verfahren, denn was soll ich mit den ganzen Daten, ich kann damit sowieso nichts anfangen, sie haben gar keinen Mehrwert. – Die andere Frage ist: Eine Kammer hat ja immer bestimmte Aufgaben und Funktionen, die sie auch per Gesetz übernimmt. Gibt es hier vielleicht Überwachungs-, Aufsichtsfunktionen oder sonstige Funktionen der Kammer, die sich mit Tätigkeiten überschneiden, die das LAGeSo auch ausübt? Das heißt, dass es da bestimmte Doppelungen gibt, die man sich deshalb vielleicht beim LAGeSo oder welcher staatlichen Stelle auch immer sparen könnte, also dass man sagt: Das machen wir schon als Kammer, das ist unsere gesetzliche Aufgabe, und man versteht nicht, weshalb man das noch einmal durch eine andere Stelle macht, dann könnte man sich das entweder kammer-seits oder bei der anderen Seite sparen. – Vielen Dank!
Stellv. Vorsitzende Dr. Claudia Wein: Vielen Dank! – Dann Herr Ubbelohde!
Carsten Ubbelohde (AfD): Vielen Dank! – Zunächst möchte ich festhalten, dass ich es sehr bedaure, dass, obwohl der Besprechungspunkt zum Bürokratieabbau in den Praxen noch nicht zu Ende ist, die Frau Senatorin bedauerlicherweise nicht mehr anwesend ist. Ein wirkliches Interesse an diesem für uns alle in der ambulanten Versorgung wichtigen Anliegen sieht anders aus.
Wir haben es hier, und das ist, glaube ich, deutlich geworden, geradezu mit einem Sicher-heitsfetischismus zu tun, der keinen Patientennutzen hat – keinen zusätzlichen Patientennutzen zumindest –, sondern im Gegenteil die Mitarbeiter in den Praxen, die zum Teil aufgrund von Defiziten im Bildungssystem ohnehin Schwierigkeiten haben, den hohen administrativen Anforderungen zu folgen, enorm überfordert. Insofern wäre es für mich ein wichtiges Ziel, die Abrechnungsverfahren – das ist auch ein Steilpass an Herrn Dr. Hessberger – deutlich zu verschlanken und zu vereinfachen. Sicherlich ist das auch ein Bundesthema, das ist mir schon klar, aber das sollte hier auch einmal verstärkt zur Sprache kommen. Des Weiteren ist die Vermeidung von Medienbrüchen bei der Digitalisierung auch ein Punkt, glaube ich, der hier noch nicht zur Sprache gekommen ist, der erhebliche Probleme verursacht – wobei eine konsequente Digitalisierung in den Praxen durchaus erwünscht ist, wenn sie denn zur Entlastung beiträgt.
Ich habe noch ein paar Fragen, und zwar: Was plant der Senat, um die Niederlassung von jungen Zahnärzten zu fördern und die drohende Versorgungslücke zu schließen? Das gilt insbesondere für die Idee, eventuell zusätzliche Studienplätze zu schaffen, um den Umstand auszugleichen, dass ein Großteil – nämlich über 80 Prozent – der Studenten in der Zahnmedizin Frauen sind, was dazu führt, dass dann nachher im beruflichen Alltag zum größten Teil nicht in Vollzeit, sondern eben nur in Teilzeit gearbeitet wird, und sie deswegen nicht vollständig für die Versorgung zur Verfügung stehen können. – Des Weiteren würde mich interessieren, was von dem Eckpunktepapier der Bundesregierung schon umgesetzt ist, oder wo Sie beide da ein Umsetzungsproblem sehen, denn dieses Eckpunktepapier kündigte ja einige entsprechende Verbesserungen an. Was ist daraus geworden? Eine weitere Frage ist: Was hat der Kontakt zur Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege in den letzten Jahren erbracht? Welche Veränderungen konnten Sie im Sinne einer Bürokratieentlastung in den Praxen bewirken? Ich habe noch eine Frage zum Fachkräftemangel: Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Fachkräftemangel, der ja eklatant ist und noch deutlich zunimmt, in den Praxen zu reduzieren? Wir werden ihn nicht beseitigen können, aber ihn zumindest zu reduzie-ren. Mich würde interessieren, welche Möglichkeiten Sie da sehen.
Vorsitzende Silke Gebel: Vielen Dank! – Dann würden wir zur Beantwortung der vielen Fragen kommen, die Sie erhalten haben. Ich weiß nicht, in welcher Reihenfolge Sie beantworten wollen. – Dann starten wir mit Herrn Hessberger.
Dr. Andreas Hessberger (KZV Berlin): Ich glaube, wir müssen uns die Bälle zuspielen. Wir werden wahrscheinlich auch nicht alle Fragen vollumfänglich beantworten können, weil uns dazu das Zahlenmaterial fehlt beziehungsweise weil die Fragen doch sehr viel weiter gestellt wurden, als wir es erwartet haben – also zumindest, als ich es erwartet habe. Ich versuche aber, meinen Teil dazu beizutragen.
Ich fange einfach einmal an: Frau Pieroth fragte nach der Prophylaxe. Da müssen wir zwei Dinge unterscheiden: Das eine ist die Kinder- und Jugendprophylaxe, bei der das, was in den Praxen passiert, über die KZV, also über uns, abgerechnet wird. Diese ist, was das angeht, politisch und auch technisch unstrittig und läuft gut. Darüber gibt es auch mit den Krankenkassen einen Konsens, dass wir diese Leistungen finanzieren. Ich bekomme dort am leichtesten die Konditionen vermittelt, die wir uns dafür wünschen. Das ist in meinen Augen, zumindest was die Finanzierung für IP und FU angeht, der leichteste Punkt. Bei der PA ist es schon schwieriger, da die PA – das haben Sie auch angesprochen – ein Punkt ist, der enorm wichtig gewesen ist. Ich habe selbst jahrzehntelang eine Praxis in Kreuzberg-Nord gehabt, ein sozialer Brennpunkt, einer der schlimmsten Anfang der Neunzigerjahre, als ich mich dort niedergelassen habe. Ich habe das aus privater Überzeugung gemacht. Ich weiß aber auch, dass die Übernahme dieser im Grunde genommen in weiten Teilen privaten Leistung in die GKV ein richtiger Schritt war – ein absolut richtiger Schritt. Er wurde aber durch die sogenannte strikte Budgetierung konterkariert. Das ist in Flächenländern, die ein Versorgungsproblem haben, wo die Kollegen aber auch nur zwei Hände zum Arbeiten haben, kein Problem. Das heißt, in Brandenburg bekommen sie alles bezahlt, weil sie gar nicht genügend Zahnärzte haben, um die Leistungen an die Patienten zu bringen. Wir in Berlin, die – noch – eine sehr ausgeglichene Versorgung haben, haben das Problem, dass diese Zusatzleistung, die in ein Budget hineingenommen wurde, das ohnehin schon immer knirsch war, dazu geführt hat, dass wir den Kollegen die Leistungen nicht mehr vollständig bezahlen können. Das führt jetzt deswegen nicht zu einer grundsätzlichen Leistungsverweigerung, aber mindestens zu einem Grummeln. Wobei, wenn man jetzt den großen Bogen zur Niederlassung schlagen würde: Nicht die Finanzierung ist das Problem, warum sich Kollegen nicht niederlassen, sondern es ist tatsächlich die Bürokratie. Zu diesem Punkt würde ich jetzt wieder abgeben.
Vorsitzende Silke Gebel: Herr Dr. Heegewaldt!
Dr. Karsten Heegewaldt (Zahnärztekammer Berlin): Danke! – Das waren jetzt sehr viele Fragen. Bitte melden Sie sich, wenn ich eine Frage nicht richtig oder nicht vollumfänglich beantworte. – Erst einmal wollte ich Herrn Schatz dafür danken, dass er das Thema HIV-positive Patienten angesprochen hat: Unser Interesse ist, dass jeder Patient, aber auch wirklich jeder Patient in dieser Stadt vernünftig behandelt wird. Das kann ich Ihnen nur so sagen. Ich habe schon einige Gespräche mit Kollegen geführt, bei denen genau diese Problematik aufgetreten ist und habe ihnen gesagt, dass sie diese Patienten natürlich behandeln müssen. Das ist gar keine Frage. Wenn es dort Probleme gibt, kann ich nur sagen: Wenden Sie sich bitte an die Kammer, und wir gehen dem dann nach. Das ist ganz eindeutig. Wir stehen dafür, dass natürlich jeder Patient behandelt werden muss. Zum Thema der Versorgung von Patienten mit starken Behinderungen – vielen Dank für Ihre Frage: Wir hatten letztes Jahr das Problem, dass dieser Stelle von einem staatlichen Vivantes-Konzern gekündigt worden ist. Ich muss sagen, dass wir uns da ein bisschen allein gefühlt haben, denn wir haben dort keine Unterstützung bekommen. Wir sind dann über die Charité gegangen, und Professor Heiland, der dort für die MKG zuständig ist, hat sich zusammen mit uns – der KZV und der Kammer – wirklich in dieses Problem hineingekniet. Wir haben dieses Problem jetzt Gott sei Dank lösen können, indem diese Patienten dort behandelt werden. Aber es war traurig, dass dort einfach gekündigt wurde, und das in einem städtischen Unternehmen. Aber wir haben es gelöst, und das ist, glaube ich, ganz wichtig. Hier gilt genau das Gleiche: Jeder Patient hat das Anrecht auf eine gute zahnärztliche Behandlung.
Zum Thema LAG: Die LAG ist in allen Kindergärten und Schulen anwesend. Sie haben das Thema Tegel angesprochen: Diese Kinder werden auch beschult und gehen in Kindergärten. Dort werden sie dann natürlich auch von Kroko besucht. Allerdings bin ich mir jetzt bei den Kleinkindern dort nicht sicher, ob alle in Kindergärten gehen. – [Zuruf] – Gehen sie nicht – dann werden sie leider dort im Augenblick noch nicht erfasst, da haben Sie vollkommen recht. Das ist ein wichtiger Punkt, den Sie vielleicht auch noch einmal aufnehmen müssen, um diese Kinder auch zu betreuen. Was die Zahl der ausländischen Kollegen betrifft: Das ist ein Problem, weil viele auf der Warteliste stehen, es wird aber gerade vom LAGeSo angegangen. Das ist ja nicht unser Beritt, wir sind nicht dafür zuständig, dass sie ihre Approbation bekommen, sondern das ist Aufgabe des LAGeSo. Dort gibt es eine Prüfungskommission, und da sitzen wir immer zwischen den Stühlen: Auf der einen Seite wollen wir natürlich so viele dieser Kollegen wie möglich bei uns in der in der Versorgung haben. Auf der anderen Seite geht es um Patientensicherheit. Beide Seiten müssen beachtet werden. Deswegen ist nach einem obligatorischen Deutschtest, wie man das so schön nennt, eine Prüfung dieser Kolleginnen und Kollegen und auch eine Prüfung der Unterlagen, die sie mitbringen, nötig. Es ist, wie gesagt, unumstößlich, dass sie natürlich die gleichen Kenntnisse haben sollten wie ein Kollege hier vor Ort. Auf der anderen Seite könnte es dort mit der Bearbeitung vielleicht noch etwas schneller gehen.
Herr Grasse, Sie haben zum Thema Hygiene gefragt: Wenn etwas schiefgeht, ist dann die Patientensicherheit gefährdet? – Nein, ist sie nicht. Schiefgehen heißt bei uns, dass beispielsweise noch etwas Zement an einem Instrument hängt. Das Instrument ist aber, wie gesagt, durch die Desinfektion beziehungsweise durch die Desinfektion und die Sterilisation gegangen. Von daher ist das alles dann trotzdem steril. Wenn das Gerät nicht funktioniert, fällt es, wie gesagt, aus und dann kommt eine Fehlermeldung. Ansonsten ist die Patientensicherheit null gefährdet. Wie gesagt: Wir hatten null Übertragungen in den Zahnarztpraxen. – Zum Thema gleichwertige Behandlung privat und GKV kann ich nur sagen: In meiner Praxis in Neukölln-Nord mache ich das so, und ich fordere alle Kolleginnen und Kollegen auf, das auch so zu tun, dass alle Patientinnen und Patienten gleichbehandelt werden. Wie hoch der Privatanteil ist, kann ich Ihnen jetzt nicht mitteilen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass hier von den Krankenkassen darauf geachtet wird, und zwar zu Recht, dass die Patientinnen und Patienten sich einmal im Jahr einen Bonusstempel abholen – und wenn sie ihn abholen, wird der private Anteil in der Prothetik immer kleiner. In der konservierenden Zahnheilkunde wird ja alles von der Krankenkasse getragen. Das muss man ganz klar sagen. Im prothetischen Bereich gibt es natürlich auch Härtefälle. Wenn Patientinnen und Patienten zu wenig verdienen, dann bekommen sie auch eine Regelversorgung.
Sie haben gefragt: Wie viele gehen in Rente? Ungefähr 1.000 Kolleginnen und Kollegen gehen in den nächsten sieben Jahren in Rente. Die Zahnklinik in Berlin bildet pro Jahr, oder soll laut Senatsangaben 80 Kolleginnen und Kollegen ausbilden. Berlin ist natürlich auch attraktiv, und da haben wir dann einen gewissen Zulauf. Ich muss Ihnen aber auch sagen: Ein Kollege, der niedergelassen ist, der selbstständig ist, arbeitet mehr als jemand, der eine feste Angestelltenzeit hat. Das muss man ganz klar sagen. Da sind die Äquivalente immer schwierig zu vergleichen. Die Kollegen sind genauso fleißig, aber sie haben bestimmte Arbeitszeiten, und ein Selbstständiger schaut nicht auf die Uhr und arbeitet einfach mal 50 Stunden in der Woche. Das macht ein Angestellter natürlich nur im Ausnahmefall.
Zum Thema Kassensitz: Ja, die Übernahme einer Praxis ist eine Herausforderung. Ich kann Ihnen nur sagen, das liegt nicht an den Praxisräumen, denn wir haben, wie gesagt, viele Kolleginnen und Kollegen, die jetzt ihre Praxen abgeben. Das heißt, man muss diese Praxen eigentlich nur übernehmen, aber viele angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte, nämlich 63 Prozent, haben eben starke Bedenken. Deswegen habe ich das vorhin so emotional vorgetragen. Das liegt hauptsächlich an der Bürokratie – und natürlich am Fachkräftemangel, das muss man auch sagen. Die Bundeszahnärztekammer hat eine Initiative gestartet, wir sind jetzt im Internet vor Ort, um für den Beruf der ZFA zu werben. Die Ausbildungszahlen in Berlin sind im Augenblick stabil, das muss man auch sagen. Trotzdem haben wir dort einen großen Mangel – wie überall. Wenn die neue Generation kleiner ist als die letzte, ist der Fachkräftemangel dann natürlich da, weil weniger zur Verfügung stehen, die bei uns mitarbeiten wollen.
Das Thema iMVZ ist ganz wichtig in Berlin: nicht so virulent, aber ich finde es unerträglich, wenn GKV-Gelder, mal ganz polemisch gesagt, auf den Cayman Islands versteuert werden. In unserem Beruf haben fachfremde Investoren eigentlich nichts zu suchen, die unseren Kolleginnen und Kollegen auch noch vorgeben, was sie zu tun haben. Deswegen schätze ich unsere Freiberuflichkeit sehr, weil man in der Freiberuflichkeit, wie gesagt, für den Patienten das Beste gibt – und das ist, glaube ich, das Entscheidende. Es geht nicht darum, sich die Rosinen herauszupicken, und das machen die investorengetragenen MVZs definitiv.
Dr. Andreas Hessberger (KZV Berlin): Ich würde daran kurz anschließen, weil ich nur auf die ersten Fragen von Frau Pieroth eingegangen bin. Wir haben mit der Kammer und mit allen zusammen eine Lösung für die schwerstbehinderten Patienten erreicht. Sie sieht so aus, dass im Grunde genommen die Kollegenschaft die Mehrkosten intern trägt. Wir haben für die allerschwersten Fälle jetzt diese Anlaufstelle. Wir haben intern in der Honorarverteilung Son-derregeln geschaffen, damit für die in ambulanter Narkose, aber vor Ort zu behandelnden Patienten mit schweren Behinderungen diese Leistungen vollständig bezahlt werden. Wie ich schon sagte, sind wir aufgrund der PA-Situation und der angespannten Finanzlage nicht in der Lage, die Honorare vollständig auszuzahlen, aber wir haben diese Gruppe explizit ausgenommen. Das ist ein Beitrag der Kollegen dazu, dass wir da ein Dutzend Praxen haben, durch die zumindest diese nicht allerschwersten Fälle gestützt werden.
Was die Zahlen zur KV angeht: Wie diese ermitteln, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen genau sagen, wie wir unsere Zahlen ermitteln. Insofern fällt mir der Vergleich schwer. Es ist tatsächlich so, dass wir mit diesen Zahlen in Berlin einigermaßen zurande kommen. Berlin ist attraktiv, Berlin wächst als Stadt, und wir haben den Effekt, dass die Zahl der Zahnärzte in den letzten Jahren gleich bleibt oder sogar latent wächst. Das sind aber, wie gesagt, Versorgungsäquivalente, die der Kollege schon angesprochen hat. Die Zuwächse passieren in der Anstellung, nicht in der Niederlassung. Wir verlieren an den Rändern die Praxen.
Ich möchte einen Hinweis loswerden, weil das Thema vielleicht auch über den Bundesrat kommen soll: die Bedarfszulassung. Berlin wird bei einer Bedarfszulassung massiv verlieren. Niemand, der sich in Berlin niederlassen möchte und das nicht kann, wird deswegen in die Altmark gehen. Ich habe die Altmark nur einmal als Beispiel genannt. Dieses Problem ist nicht über ein Herausdrücken aus Berlin zu lösen. Das Problem, das wir hier am Stadtrand haben, lässt sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln noch relativ gut lösen, denn wir haben hier die Versorgung. Wir haben aber auch hier das Problem, dass die kleinen Praxen aufgeben. Ich sage mal, die meisten unserer Kollegen sind Überzeugungsberufstätige. Das heißt, sie gehen nicht zwingend mit Mitte 60 in Rente. Ich habe letzte Woche mit einem Kollegen gesprochen, weil er sich beim Vorstand beschwert hat. Er ist 71 Jahre alt, hat eine Einstuhl-Praxis in Treptow-Köpenick unten am Stadtrand und macht Hausbesuche bei seinen alten Patienten. Dieser Kollege steht jetzt vor dem Problem, dass er seine IT komplett neu aufrüsten müsste – 71 – das macht er nicht mehr. Da ist zwar jetzt nur ein Fall, der sich in der Versorgung in der Statistik nicht niederschlagen wird, aber durch die Zumutung, der wir diesen Kollegen aussetzen, drängen wir die Älteren raus. Ich kann nur sagen: Wir verlieren in den nächsten Jahren die Babyboomer. Selbst wenn die Quote der Niederlassungswilligen gleich ist, und das ist sie, trifft sie auf eine geringere Basis. Wir müssen versuchen, und das ist ein Teil der Lösung, die Älteren länger im System zu halten. Das schaffen wir nicht mit den Bürokratieanforderungen an IT und den Anforderungen, die jetzt aus der Politik kommen. Wir werden sie verlieren. – Vielen Dank!
Vorsitzende Silke Gebel: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen! – Ich glaube, es sind auch noch ein paar Fragen an den Senat gegangen. – Deswegen hätten Sie einmal das Wort, Frau Haußdörfer!
Staatssekretärin Ellen Haußdörfer (SenWGP): Vielen herzlichen Dank, dass auch wir unseren Teil zu der Beantwortung mit beitragen dürfen! – Als Erstes möchte ich mich aber sehr stark von Ihren Äußerungen distanzieren, Herr Ubbelohde. Wir haben am Anfang des Ausschusses klargemacht, dass aufgrund der parallel stattfindenden GMK-Schalten die Senatorin jetzt für eine gute Stunde nicht anwesend sein wird. Das hat nichts mit Nichtachtung oder Nichtinteresse an dieser Thematik zu tun, im Gegenteil. Es hat etwas damit zu tun, dass wir die Bundesreform auch als Land begleiten können, und alle diese Themen, die Sie heute angesprochen haben, wie Fachkräftemangel, Ambulantisierung, Digitalisierung, Räumlichkeiten und auch die Frage der Perspektiven des demografischen Wandels, sind alle in jeder Reform immanent. Deshalb möchte ich mich am Anfang hier auch deutlich dazu äußern, dass ich mich freue, dass der Ausschuss in dem Bereich der zahnärztlichen Versorgung einen Schwerpunkt legt, weil ich glaube, dass das immer ein bisschen vergessen wird. Wir, der Senat, sind auch in guten Gesprächen mit den Vertretungen der Ärztinnen und Ärzte, und die Zahnärztinnen und Zahnärzte sind kein besonderes Beispiel dafür, dass die Frage der Fachkräftesituation nicht nur im Bereich der Gesundheitsberufe, sondern im Allgemeinen in unserer Gesellschaft eine ganz herausfordernde, essenzielle Bedeutung erlebt. Das nehmen wir nicht nur jetzt wahr, sondern haben es schon in den letzten Jahren verstärkt wahrgenommen, denn die Frage, wie sich Ärztinnen und Ärzte niederlassen, trifft Hausärzte, Pneumologen und Hautärzte genauso wie Zahnärztinnen. Dementsprechend gibt es auch schon Überlegungen, wie man das angehen kann.
Jetzt gehe ich noch einmal auf ein paar inhaltliche Fragen ein: Wir sehen, dass laut dem zahnärztlichen Bedarfsplan von den zwölf Bezirken in sieben Bezirken ein Versorgungsgrad von unter 100 Prozent vorherrscht. Das hat dann die Spannbreite von 74,1 Prozent in Spandau zu 191,7 Prozent in Charlottenburg-Wilmersdorf, und das ist nicht nur eine Frage, ob man Innen- oder Randbezirk ist, sondern es betrifft auch Fragen, wie ich eine Praxis führen kann. Wir erleben auch, dass sich die Kolleginnen und Kollegen dort gegebenenfalls anders entscheiden: Die Zahl der Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte ist rückläufig, und gleichzeitig steigt die Anzahl der bei ihnen angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte. Das ist ein Trend, den wir in vielen Bereichen feststellen, zum Beispiel sowohl bei den Kinder- und Jugendmedizinerinnen und -medizinern als auch bei den Hausärztinnen und Hausärzten, wo wir sogar unterschiedliche Planungsregionen haben, um ein deutliches Beispiel für einen dieser geografischen Unterschiede zu bringen, die nun einmal in der Metropole Berlin vorherrschen.
Zu dem Beispiel von Herr Dr. Hessberger: Ich komme aus Treptow-Köpenick, ich glaube, ich kenne den Kollegen ganz gut, von dem Sie berichten. Der Punkt ist aber: Auch hier haben sich Ärzte schon auf die Reise begeben, was sie tun können. Ein Beispiel ist, dass man jüngere Kolleginnen und Kollegen anlernt. Bei meiner Zahnärztin ist es zum Beispiel so, dass sie schon seit zwei Jahren eine jüngere Kollegin mit hineinbringt, also so eine Art Tandem, um den Wissenstransfer und auch das wirklich herausfordernde Führen einer selbständigen Praxis nahezubringen. Es gibt auch Modelle, dass sich etablierte Fachkräfte, die sich nicht mehr in der Lage sehen oder nicht mehr willens sind, eine Praxis allein zu führen, in einer anderen Praxis mitengagieren. Wir haben diese Diskussion auch bei den KV-Praxen gehabt: Da sind viele ältere Kolleginnen und Kollegen, die – vielleicht auch aufgrund einer fehlenden Nachfolgeperspektive oder weil bestimmte Werbemaßnahmen und Weiterbildungsmaßnahmen nicht gefruchtet haben –, einen besonderen Schwerpunkt darauf legen, dass sie sich noch in diesen Praxen engagieren und dort zur Sicherstellung des Versorgungsauftrags beitragen. Bei der Frage der Räumlichkeiten haben sich auch Bezirke auf den Weg gemacht. Da ist zum Beispiel Treptow-Köpenick – Herr Schatz, wir dürfen aus Lokalpatriotismus auch mal mit den guten Beispielen vorangehen: Dort können Sie sich nämlich an das Bezirksamt wenden und erhalten eine Liste. Ende des letzten Jahres waren darauf 18 Immobilien, die für Praxen geeignet waren. Dort kann man dann schauen: Passt diese Räumlichkeit zu mir, unter welchen Bedingungen, und wie kann ich gegebenenfalls den entsprechenden Angang an die Vermieterinnen und Vermieter herstellen? Gleichzeitig wissen wir natürlich, dass gerade die Medizinerinnen und Mediziner nicht jeden Preis auf dem freien Markt bezahlen können – übrigens genauso wie auch andere soziale Infrastruktur. Hier sind wir in der Tat in großen Gesprächen, und das ist auch Teil der Diskussion im 90a-Gremium, weil es eben darum geht: Wie können wir das Fachpersonal, das wir haben, halten und gleichzeitig in der angespannten Situation darstellen?
Jetzt möchte ich noch eine Lanze für einen Bereich brechen, der hier heute noch gar nicht aufgekommen ist, nämlich die angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte im Öffentlichen Ge-sundheitsdienst, denn es ist auch eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge, hier die entsprechenden Personalstellen vorzuhalten. Ich darf dazu jedes Jahr einmal berichten, nicht nur hier im Ausschuss, sondern auch im Hauptausschuss, weil wir im Öffentlichen Gesundheitsdienst, in den Ämtern, auch Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie zahnmedizinisches Fachpersonal vorhalten und in den entsprechenden Einsatz bringen. Hier hat im Gegensatz zum letzten Jahr bei der Versorgungsdichte mit Zahnärztinnen und Zahnärzten eine Verbesserung stattgefunden: Sie ist um über sechs Prozentpunkte gestiegen, wir sind also bei einem Versorgungsgrad von ungefähr 88 Prozent der Stellen im Öffentlichen Gesundheitsdienst. Aber etwas, das Sie in der „freien Wirtschaft“, aber auch beim Angestelltenverhältnis feststellen, betrifft die Frage, die Frau König gestellt hat, nämlich die der fachmedizinischen Angestell-ten, der MFAs, aber auch der zahnmedizinischen Angestellten: Hier findet in der Tat ein Rückgang statt. Herr Dr. Heegewaldt hat die Kampagne angesprochen, dass mehr zahnmedizinische Fachangestellte in den Ausbildungsbeginn gehen. Wir können das nur unterstützen, ich halte es auch für einen ganz wundervollen Beruf. Es ist aber auch deshalb so wichtig, weil sie die Mittlerinnen und Mittler zwischen den Patientinnen und Patienten, gegebenenfalls auch den Eltern der jungen Patientinnen und Patienten und dem medizinischen Fachpersonal sind. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Perspektive des ÖGD nicht aus den Augen verlieren, weil der ÖGD sowohl in den Tageseinrichtungen als auch in den Kindertagespflegestellen für alle Kinder zahnmedizinische Reihenuntersuchungen vornimmt – und in der Altersgruppe der dreieinhalb- bis viereinhalbjährigen Kinder auch die einmalige ärztliche Untersuchung. Im Übrigen findet auch in den Gemeinschaftsunterkünften, und das ist nicht nur in Tegel so, sondern auch in den bezirklichen Gemeinschaftsunterkünften, eine entsprechende Untersuchung statt. Ich danke dem Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, der in den Einrichtungen an vielen Stellen vieles möglich macht, sodass dort eine erste Begutachtung und auch weiterführende Prophylaxe verankert wird, denn wir wissen: Das Gebiss, das wir haben, wächst nicht wie bei Haien unendlich nach, sondern wir haben quasi zwei Durchgänge, und dementsprechend müssen wir uns frühzeitig darum kümmern, dass bei der Prävention und Prophylaxe ein großer Schwerpunkt gelegt wird. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir den ÖGD bei der zahnärztlichen Versorgung ebenso wie bei den anderen Versorgungspfaden nicht ganz aus dem Blick verlieren.
Ich muss noch eine weitere Berichtigung machen, nämlich in Bezug auf die sogenannten Staatskonzerne. Ich fand das jetzt ein bisschen schwierig in der Ausdeutung, weil für die ent-sprechende Fachstelle aufgrund der Bauarbeiten am Vivantes-Klinikum Neukölln zu Anfang des letzten Jahres der Mietvertrag in den Räumen des Vivantes-Klinikums Neukölln nicht verlängert werden konnte. Das war größtenteils dem geschuldet, dass sowohl die Sanierungsarbeiten als auch die Neubauarbeiten am Klinikum Neukölln diesen entsprechenden Stand verinnerlicht hatten. Es ist gelungen, das auch bei einem, in Anführungszeichen, Staatskonzern unterzubringen – ich sehe eine öffentliche Körperschaft wie die Charité nicht unbedingt als Staatskonzern an, aber es ist de facto eine Beteiligung und eine Tochter des Landes Berlin. Seit dem 12. März 2024 kann die Behandlung der Zielgruppe am MVZ Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Charité Campus Virchow-Klinikum in Berlin-Wedding stattfinden. Das erfolgt in Zusammenarbeit mit der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Dort gibt es die entsprechenden Räumlichkeiten, und das ist gerade im Bereich der Inklusion in der medizinischen Versorgung häufig die Schwierigkeit, dass wir beispielsweise neben besonderen Instrumenten und besonders gestalteten Behandlungsstühlen auch einen kurzen Weg zur Anästhesie haben – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: In der Rettungsstelle des Virchow-Klinikums besteht die Möglichkeit der Liegendanfahrt, um hier auch die erforderlichen ambulanten Narkosen durchzuführen, und zwar genau mit dem Fachpersonal, das für individuelle schwierige körperliche Ausgangssituationen die entsprechende große Erfahrung mitbringt, sodass wir zumindest am Ende die Aussage der Zahnärztekammer bestätigen kön-nen, dass diese Versorgungslücke geschlossen werden konnte. Es ist aber trotzdem wichtig, darauf weiter einen großen Fokus zu legen, weil diese Zielgruppen natürlich besondere Anforderungen haben.
Es wurde gefragt, was noch geleistet werden kann und geleistet werden konnte. Uns ist die Kritik an der Budgetierung der zahnmedizinischen Behandlungen aus der Zahnärzteschaft bekannt. Neben den Diskussionen zu dem Punkt Entbürokratisierung, zu dem ich gleich kommen werde, will ich noch einmal eine Zielgruppe hervorheben: Bei dem Themenbereich Kinder und Jugendliche sind wir an verschiedensten Punkten dran. Ich finde übrigens auch wichtig, dass Kroko nicht nur in die Kitas kommt.
Das ist zugegebenermaßen die leidenschaftlichste Zielgruppe, aber ich danke da auch wirklich der Landesarbeitsgemeinschaft Zahngesundheit, denn ich bin sowohl in einer Grundschule in Neukölln als auch in einer Oberschule dabei gewesen, und da kann man sehen, dass das Thema Zahn- und Mundgesundheit nicht nur etwas für Kitas ist, sondern in den gesamten Bildungsbereich eingebunden gehört.
Dann gibt es diejenigen, die schon nicht mehr in diesem Bereich sind, zum Beispiel Lebensältere oder Menschen, die in Pflegeheimen wohnen. Da will ich noch einmal einen Punkt hervorheben, den ich sehr wichtig finde, und der ja Gott sei Dank auch erkannt wurde: dass es nämlich gelungen ist, durch die vertragszahnärztlichen Kooperationsverträge mit Pflegeeinrichtungen auch diesen Bereich zu erschließen. So hatten wir 2015 beispielsweise 2 598 Kooperationsverträge, und im Jahr 2023 waren es 6 904. Ich weiß, das macht viel Mühe und das bedeutet auch, dass die Kolleginnen und Kollegen sehr engagiert an diese Diskussion herangehen. Ich möchte erstens Danke dafür sagen und zweitens die Kooperation auch noch ausweiten, denn wir wissen alle, vor welchen Zahlen im demografischen Wandel wir stehen und dass diese Zielgruppe nicht mehr den Zugang in das zahnmedizinische Versorgungssystem findet. Das kann durch diese aufsuchende Arbeit in den Pflegeheimen gewährleistet werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Fokus darauf legen, weil es bedeutet, dass sich schon frühzeitig viele Menschen sehr viele Gedanken darüber gemacht haben, wie die zahnmedizinische Versorgung und auch die medizinische Versorgung im Alter ausgestaltet werden kann.
Sie haben eine Frage zum Thema Entbürokratisierung gestellt: Da ist es so, dass das BMG im GVSG konkret vorgeschlagen hat, für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen durch die Krankenkassen eine Geringfügigkeitsgrenze von 300 Euro einzuführen. Das Land Berlin hat sich insbesondere direkt in den entscheidenden Tagen nach der Auflösung des Deutschen Bundestags und vor der entsprechenden Neuwahl dafür eingesetzt, bestimmte Gesetzesvorhaben noch anzugehen – ich meine, jedes Gesetz, das vom BMG und vom Bundesgesetzgeber kommt, ist natürlich ein wahnsinnig wichtiges Gesetz, das bestimmte Regelungslücken schließt beziehungsweise neue Ideen in ein Gesetz gießt –, deshalb hatten wir dringendst empfohlen, beispielsweise das GVSG, aber auch das Pflegekompetenzgesetz an verschiedensten Stellen noch vorzuziehen, gerade weil es dort auch eine große Einigkeit zwischen den Bundesländern gegeben hat, insbesondere beim Pflegekompetenzgesetz. Leider konnten weder das Land Berlin noch die anderen Bundesländer sich durchsetzen. Dementsprechend hoffen wir, dass das mit einer neuen Bundesregierung schnellstmöglich aus der Schublade gezogen wird, um die Entscheidungslücke nicht allzu groß werden zu lassen. Aber das war natürlich etwas, worauf wir sehr stark gesetzt haben. Das betrifft im Übrigen auch die anderen Regelungen im GVSG, das darf man nicht nur unter diesem einen Aspekt sehen, sondern es geht insgesamt darum, dass Gesundheitsversorgung gestärkt werden sollte.
Aus den Eckpunkten wurde ebenfalls übernommen, dass man auf den Konsiliarbericht bei vertragsärztlich überwiesenen Patientinnen und Patienten – in diesem Fall in die Psychotherapie – verzichten kann. Das ist vorgeschlagen worden. Ebenso wurde zu der ärztlichen Bescheinigung bei der Erkrankung eines Kindes vorgeschlagen, dass erst ab dem vierten Krankheitstag ein ärztliches Zeugnis notwendig ist. Sie wissen, wir haben das hier in Berlin zusammen mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ein bisschen anders diskutiert. Auf der einen Seite hat es ja einen Grund, warum man die Kinder dann auch beim medizinischen Personal sehen möchte, wenn sie langfristig erkrankt sind. Auf der anderen Seite ist es aber auch teilweise für Eltern sehr schwierig, Regelungen zu treffen, wie man dem bestenfalls nachkommen kann.
Die Umsetzung der Digitalisierung im Rahmen der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und -zahnärzte ist aber leider nach unserem derzeitigen Kenntnisstand nicht absehbar, da der Bund das entsprechende Verfahren nicht fortgeführt hat. Hier war unter anderem die Verlängerung des Zeitraums geplant, in dem die genehmigungsfreie Vertretung einer Ärztin oder eines Arztes beziehungsweise einer Zahnärztin oder eines Zahnarztes möglich ist, sowie die Möglichkeit der elektronischen Versendung von Unterlagen für Sitzungen des Zulassungsausschusses. Zu den Bereichen muss man sagen: Sie haben wunderbare Beispiele gewählt, die ja im Regelfall eine gewisse Absurdität aufzeigen, was notwendig ist. – Ich kann nur sagen, es gibt einen sehr schmalen Grat zwischen dem Schutz zum Beispiel von Gesundheitsdaten, der Qualitätsanforderung, Haftung und Abrechnung sowie der entsprechenden Nachvollziehbarkeit auf der einen Seite und Gängelung auf der anderen Seite. Das ist jetzt vielleicht pauschalisiert mein Eindruck, der da entstanden ist. Es ist zwar nicht Aufgabe der Länder, aber natürlich tauschen wir uns als Senat hier mit den verantwortlichen Partnern der Selbstverwaltung aus – mit dem Ziel, die Bürokratisierung auf ein angemessenes Maß zu reduzieren. Aber so wie der Bund im Regelfall auf EU-Verordnungen und -Gesetze eingehen muss, und gerade im Bereich der Medizinprodukte ist das ja regelmäßig Thema der öffentlichen Berichterstattung, ist es dann auch Landessache, gegebenenfalls Bundesgesetze angemessen als Verordnung im Land Berlin aufzufangen. Wir haben zwar keine wesentliche Handhabe zum Bürokratieabbau durch landesrechtliche Regelungen, aber es ist uns auch wichtig, in den entsprechenden Aus-tausch zu gehen. Dazu wird Herr Dr. Merx als Vertretung des LAGeSo gleich noch etwas sagen können.
Ich möchte noch einen Punkt aufnehmen, weil dazu auch etwas gefragt wurde: Perspektivisch ab 2028 wird der 2021 gestartete neue Studiengang Medizin an der Medical School Berlin etwa 200 Studierende jährlich bis zur Abschlussprüfung ausgebildet haben und so auch in Berlin weitere Ärztinnen und Ärzte für die ambulante ärztliche Versorgung zur Verfügung stellen. Es ist dann, glaube ich, an uns allen, nicht nur das Image, sondern auch die schönen Seiten gerade auch des Arbeitens in Berlin zu verdeutlichen, und zwar an jeder Stelle in Berlin. Aber genauso wichtig ist es eben auch, dass wir die entsprechenden Regelungen mit aufnehmen. Noch ein letzter Satz zu der Frage mit den MVZs: Wir stellen ebenfalls fest, so wie es in der Anhörung schon angeklungen ist, dass die investorenbetriebenen MVZs im Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen im Vergleich zu Einzelpraxen insgesamt größere Leistungsmengen je Behandlungsfall abrechnen, dabei jedoch teilweise niedriger bewertete Leistungen in den Ansatz bringen. Das führt aber trotzdem dazu, dass im Vergleich zu Einzelpraxen erhöhte Leistungsmengen und höhere Umsätze, auch bei den MVZs ohne Investorenbeteiligung, erkennbar sind. Deshalb reicht es nicht aus, dass wir jetzt sagen könnten: Okay, die Leistung von MVZs mit oder ohne Investorenbeteiligung ist eine Gefahr für die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der zahnärztlichen Versorgung. Ich glaube, es ist schon sehr wichtig, dass es ein diverses Berufsfeld gibt und wir auch verschiedene Einsatzmöglichkeiten in diesem Fall sicherstellen wollen, sodass man zumindest die investorenbetriebenen MVZs mit einem kritisch-konstruktiven Blick begleiten sollte. – Zur Frage gegebenenfalls der Anerkennung, aber vor allem in Bezug auf die Medizinprodukte und den Austausch mit der Selbstverwaltung würde ich an Sie übergeben.
Vorsitzende Silke Gebel: Herr Merx, dann würde ich Ihnen das Wort geben, und Sie hätten jetzt die Gelegenheit, zu antworten.
Dr. Matthias Merx (LAGeSo): Hallo! Mein Name ist Matthias Merx. Ich komme aus dem LAGeSo. Zu dem, was Herr Dr. Hessberger und Herr Dr. Heegewaldt zum Thema Anforderungen an Praxen gesagt haben, an zahnärztliche oder ärztliche Praxen, an Wirtschaftsakteure generell: Innerhalb der letzten Jahre sind die Anforderungen an Dokumentation und Vorschriften und so weiter natürlich sehr stark gestiegen. Da kann ich voll zustimmen. Was wir aber vom LAGeSo tun: Wir sind dafür zuständig, zu schauen, dass Gesetze, die gemacht werden, überwacht werden. Die Gesetze, die gemacht werden, werden von der EU gemacht, werden in nationales Recht überführt und treffen dann bei uns als Verordnung auf. Wenn wir dann zu Zahnärzten oder Ärzten gehen, gehen wir dort als Advokaten für Patienten und Nutzer hin. Wir müssen sehen, dass wir mit unserem Ermessen das, was Gesetz vorschreibt, und das, was wir dort sehen, in einen Zusammenhang bringen und dann dort entsprechend Dinge umsetzen. Wir hören sehr oft, dass in Berlin besonders streng gehandhabt wird. Dem möchte ich entgegensetzen, dass sich die Mitarbeiter aus dem LAGeSo, aus den Fachgruppen, deutschlandweit mit den anderen 15 Bundesländern abstimmen, um Interpretationen von Gesetzen gleichmäßig in Deutschland auszugestalten. Das heißt, wenn irgendwo eine Interpretationslücke ist und ein Gesetz diskutiert werden muss, wird das in diesen Fachgruppen diskutiert und dann deutschlandweit genauso angewendet. Das heißt, wenn jemand sagt, in Brandenburg ist das anders, dann kann es vielleicht ein bisschen anders sein, aber es wird nicht gravierend anders sein.
Zum Thema Desinfektion und Aufbereitung von Medizinprodukten: Da haben Sie zu Recht gesagt, Sie kennen Ihre Praxis, Sie kennen Ihre Mitarbeiter, und Sie wissen, dass zum Beispiel so eine Desinfektion richtig durchgeführt wird. Wir führen ja unsere Inspektionen durch, und wir nehmen auch Daten auf. Wir haben innerhalb der letzten 40 oder 50 Inspektionen festgestellt – dafür haben wir jetzt Daten –, dass wir in 28 Prozent der Fälle Mängel beim Thema Aufbereitung finden. Das heißt, wir haben sehr viele Praxen, in denen es sehr gut funktioniert, aber wir haben auch Praxen, in denen es nicht funktioniert. Wenn Sie jetzt sagen, wir sind trotzdem zu streng: Wir nehmen einfach das, was uns das Gesetz bietet, und wenden es an, und wenn wir feststellen, dass 28 Prozent der Praxen Mängel aufweisen, ist das doch nicht so gering. Denn am Ende ist es der Patient, der darunter leiden könnte. Sie sind vorhin auf das Thema Wischdesinfektion eingegangen. Da haben Sie recht, das ist ein problematischer Fall, aber da sind wir mit Ihnen im Gespräch, und das werden wir auch in irgendeiner Art und Weise lösen.
Vorsitzende Silke Gebel: Vielen Dank für die Beantwortung und die Eindrücke! – Dann ist die Anhörung damit erst einmal abgeschlossen. Es ist so, dass wir das vertagen, dann werden wir es auswerten, denn wir haben ja ein Wortprotokoll, und dann rufen wir es noch einmal auf. Dann haben wir uns in der Zwischenzeit auch vielleicht an der ein oder anderen Stelle noch einmal schlauer gemacht. Das heißt, das Thema wird definitiv noch einmal hier aufgerufen und von unserer Seite als Ausschuss weiter bearbeitet. – Vielen Dank, Herr Dr. Hessberger und Herr Dr. Heegewaldt, dass Sie sich heute die Zeit genommen haben, uns mit Ihren Informationen zur Verfügung zu stehen! Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und eine gute Woche. – Damit vertage ich jetzt die Besprechung zu Punkt 3.