BGH: Ärztliche Aufklärungsformulare unterliegen nur eingeschränkt der AGB-Kontrolle
Der unter anderem für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem heute verkündeten Urteil entschieden, dass ärztliche Aufklärungsformulare gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur einer eingeschränkten Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen.
Sachverhalt:
Der Beklagte ist ein Verband von Augenärzten. Er empfiehlt seinen Mitgliedern die Verwendung eines Patienteninformationsblatts. In diesem werden die Patienten zunächst darüber aufgeklärt, dass ab einem Alter von 40 Jahren die Gefahr besteht, dass sich ein Glaukom (sog. Grüner Star) entwickelt, ohne dass frühzeitig Symptome auftreten. Deshalb werde eine – allerdings von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlte – Früherkennungsuntersuchung angeraten. Das Formular enthält anschließend folgende Passage:
„Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, daß trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.“
Darunter hat der Patient die Möglichkeit, die Erklärungen
„Ich wünsche eine Untersuchung zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom).“
oder
„Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung“,
anzukreuzen. Schlussendlich sind die Unterschriften des Patienten und des Arztes vorgesehen.
Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, ist der Auffassung, bei der Erklärung, die Patienteninformation gelesen und darüber aufgeklärt worden zu sein, dass die Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten sei, handele es sich um eine nach § 309 Nr. 12 Halbsatz 1 Buchst. b BGB unzulässige Tatsachenbestätigung. Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, seinen Mitgliedern die Verwendung dieser Klausel (ggf. mit dem Zusatz „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung“) zu empfehlen.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat sie das Oberlandesgericht abgewiesen.
Entscheidung des Senats:
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Die angegriffene Klausel ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 und 2, § 308 oder § 309 BGB unwirksam. Sie weicht nicht von Rechtsvorschriften ab, so dass eine Inhaltskontrolle nach diesen Bestimmungen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht stattfindet. Das vom Beklagten empfohlene Informationsblatt unterrichtet die Patienten über das Risiko eines symptomlosen Glaukoms und über die Möglichkeit einer (auf eigene Kosten durchzuführenden) Früherkennungsuntersuchung. Die streitige Klausel dient der Dokumentation der hierüber erfolgten Aufklärung und der Entscheidung des Patienten, ob er die angeratene Untersuchung vornehmen lassen möchte.
Für die ärztliche Aufklärung gelten durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte eigenständige Regeln, die auch das Beweisregime erfassen. Hiernach können unter anderem die Aufzeichnungen des Arztes im Krankenblatt herangezogen werden. Einen wesentlichen Anhaltspunkt für den Inhalt der dem Patienten erteilten Aufklärung stellt – in positiver wie auch in negativer Hinsicht – insbesondere ein dem Patienten zur Verfügung gestelltes oder von diesem unterzeichnetes Aufklärungs- oder Einwilligungsformular dar. Dem Umstand, dass es sich um formularmäßige Mitteilungen, Merkblätter oder ähnliche allgemein gefasste Erklärungen handelt, hat der Bundesgerichtshof dabei jeweils keine einer Beweiswirkung entgegenstehende Bedeutung beigemessen. Vielmehr hat er auf die Vorteile vorformulierter Informationen für den Patienten hingewiesen und diesen selbst dann einen Beweiswert beigemessen, wenn sie nicht unterschrieben sind. An diese Grundsätze hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013 angeknüpft.
In dieses besondere Aufklärungs- und Beweisregime des Rechts des Behandlungsvertrags fügt sich die angegriffene Klausel ein, so dass sie mit der Rechtslage übereinstimmt.
Quelle: Bundesgerichtshof, Pressemitteilung zum Urteil vom 2. September 2021 – III ZR 63/20