Mit dem Kopp jegen die Wand

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Urteil LSG BB vom 17.06.2015

Die vergangenen Wochen haben für den an seinem eigenen Wohlergehen interessierten Kollegen eine Fülle von Erkenntnissen gebracht, die allesamt die ständische Selbstverwaltung der Zahnärzte in Berlin, vor allem aber die KZV betreffen. Und die KZV Berlin erwähnen, heißt Intransparenz und Funktionärswirtschaft assoziieren. Nun, solange sich die Zahnärzte untereinander so behandeln, solange sie es sich mehrheitlich gefallen lassen, ist nur sehr begrenzt Hilfe aus dem Umfeld zu erwarten.

Um so wichtiger ist es aber, diese Hilfe dann auch zu erkennen und zu nutzen.

Wenn also das Landessozialgericht in seiner Entscheidung dem damaligen Rechnungsprüfungsausschuss bestimmte Einsichtsrechte abspricht, dann sollte man sich von dem Triumpf-Geheul und den verbalen Veits-Tänzen einzelner Spitzenfunktionäre der Zahnärzteschaft nicht ablenken lassen. Es sind letztendlich dreiste Manöver, die die eigentliche Erkenntnis dieses Verfahrens überdecken. Und diese ist in wenigen Sätzen zusammengefasst.

Nach der Satzung der KZV Berlin darf der Rechnungsprüfungsausschuss nur das prüfen, was ihm der Vorstand vorlegt. Der Rechnungsprüfungsausschuss ist schon von der Anlage in der Satzung her ein Messer, an dem die Klinge fehlt und der Griff abhandengekommen ist. Der Rechnungsprüfungsausschuss ist Instrument der Vertreterversammlung und der dort vorhandenen Mehrheit. Und wenn die Mehrheit der Vertreterversammlung dem Vorstand nicht auf die Finger sehen will, hat der Rechnungsprüfungsausschuss keine eigenen Rechte.
Das ist dann Demokratie nach Lesart südamerikanischer und russischer Regierungschefs und der Mehrheit in der Vertreterversammlung der KZV Berlin (was heisst „Mehrheitler“ noch mal auf Russisch?)

Zur Erinnerung: Dieser Rechnungsprüfungsausschuss war über Jahrzehnte eine kurze, schmerzlose Veranstaltung, in der die dafür gewählten Vertreter stichprobenartig die ihnen vorgesetzten Belege prüften, um sodann regelmäßig der Vertreterversammlung die Entlastung des Vorstandes vorzuschlagen. Harmlos also. Dementsprechend eignete sich dieser Ausschuss auch zur Vergabe an die Opposition.

Dass dieser Rechnungsprüfungsausschuss auch tatsächlich intensiv die wirtschaftlichen Vorgänge der KZV Berlin prüfte, war nicht vorgesehen. Das war – aus Sicht der Mehrheitler in der Vertreterversammlung – ein Betriebsunfall. Dieser Betriebsunfall brachte für einen relativ engen Zeitraum einen höchst interessanten Einblick in die Machenschaften der KZV-Funktionäre. Und hatte ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren zur Folge. Dass das etwas mehr kostet, als eine Runde Kaffee und Kuchen, liegt auf der Hand, ist aber im Interesse der Zahnärzteschaft Berlins. Wenn dann ein besonderes Exemplar dieser Mehrheitler dem Rechnungsprüfungsausschuss diese Kosten vorhält – nachdem sich die Spitzenfunktionäre des Vorstandes der KZV die Spitzenhonorare ihrer Verteidiger aus der Tasche aller Kollegen haben erstatten lassen – ist an Dreistigkeit kaum zu toppen, andererseits aber nicht überraschend.

Den beim Landessozialgericht unterlegenen Klägern ist diese Erkenntnis zu verdanken. Das Landessozialgericht zeigt auf, dass die Kontrolle des Vorstandes in der KZV Berlin weitestgehend vom Willen oder Unwillen der Mehrheit der Vertreterversammlung abhängt. Mehr kann es im Rahmen der Gesetze nicht tun. Ändern müssen wir das. In der Satzung. Durch eine neue Mehrheit in der Vertreterversammlung.

Die weitere, zweite Hilfe formuliert das Bundessozialgericht. Danach ist das Spiegelbildlichkeitsprinzip auch in Selbstverwaltungskörperschaften wie der KZV und deren Ausschüssen anzuwenden. Opposition findet also nicht nur in der Vertreterversammlung statt, sondern auch in jedem einzelnen Ausschuss. Es ist schlicht undemokratischer Machtmissbrauch, wenn die Mehrheit in einer Vertreterversammlung ihr Stimmenübergewicht ausnutzt, um Ausschüsse ausschließlich mit eigenen Vertretern zu besetzen. Liegt eigentlich auf der Hand, besonders, wenn die Mehrheit hauchdünn ist. Und gilt selbstverständlich auch dann, wenn die Mehrheit erdrückend groß ist – der Bundestag macht es vor.

Die Mehrheitler in der Vertreterversammlung haben es bisher zu ignorieren versucht. Aber dieser Ignoranz hat das Bundessozialgericht abgeholfen. Auf dieses Urteil gestützt wird zukünftig auch in den Gremien der KZV Berlin der Wählerwille widergespiegelt. Das Ergebnis wird Unruhe sein, heilsame und reinigende Unruhe. Und etwas mehr Transparenz und vielleicht dann auch ein Ende der unsäglichen Funktionärswirtschaft. Zeit wäre es.

Also gilt es, sowohl dem Landessozialgericht und den Klägern dort für die lehrreiche Lektion zu danken. Ebenso gebührt dem Bundessozialgericht für seine Hilfe Dank. Was wir aus diesen wertvollen Hilfen machen, liegt an uns.

Und wir? Klar doch, wir bleiben dran…

Gerhard Gneist

Mitglied der Vertreterversammlung der KZV Berlin
1. Vorsitzender Initiative Unabhängige Zahnärzte Berlin (IUZB) e.V.

 

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Weiterführend:

  • Urteil Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 17. Juni 2015, Aktenzeichen L 7 KA 38/12

IUZB:

  • 24.06.2015: Gericht bestätigt die Satzung: Wenn die Mehrheit in einer Vertreterversammlung es will, ist der RPA ein zahnloser Tiger
  • 15.07.2015: Ein lupenreiner Demokrat meldet sich zu Wort
    oder wie der Kollege A.M.R. seinen Frust über ein unliebsames BSG-Urteil zu kompensieren versucht…

Verband der Zahnärzte von Berlin:

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