VmF: Faire Entlohnung im Gesundheitswesen ist Grundlage für eine gute Versorgung
Das ambulante Gesundheitswesen wird derzeit gegen die Wand gefahren und die Leidtragenden sind die Beschäftigten in den Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Dentallaboren. Auf diese Situation machten am Freitag Vertreterinnen des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V. (vmf) auf einer Pressekonferenz in Berlin aufmerksam.
Aus Anlass der nächsten Protestaktion am 8. September vor dem Brandenburger Tor informierten sie die anwesenden Medienvertreter*innen über die Situation der Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten sowie der Zahntechniker*innen.
„Wir zeigen bei der Protestaktion auch als Zahntechnikerinnen und Zahntechniker dem Gesundheitswesen die Rote Karte. Die strikte Deckelung der Vergütung der zahntechnischen Leistungen im Rahmen des GKV-Systems lehnen wir als Verband ab, weil auch zur Fertigung von Regelversorgungen die Expertise von gut ausgebildeten Zahntechnikerinnen und Zahntechnikern erforderlich ist, die entsprechend honoriert werden können muss. Und zwar überall, denn alle Patientinnen und Patienten haben das Recht auf ordentlichen Zahnersatz auch in der Regelversorgung“, erklärte Karola Will, Referatsleiterin Zahntechnik im vmf. Bei einer aktuellen Umfrage unter den Berufsangehörigen hatten jedoch neun Prozent angegeben, dass sie im Niedriglohnbereich (bis 12,76 Euro Bruttostundenlohn) arbeiten: In Mecklenburg-Vorpommern waren es sogar 35 Prozent der Teilnehmenden, in Sachsen 22 Prozent, in Thüringen 21 Prozent, in Schleswig-Holstein zehn Prozent. Weiterführend: Zum Statement von Karola Will
Wie sich die Situation im zahnärztlichen Bereich auf die beschäftigten Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) und die Patientinnen und Patienten auswirken wird, machte Sylvia Gabel, Referatsleiterin ZFA im vmf, deutlich. „Bei derzeit hohem Fachkräftemangel wird die wieder eingeführte Budgetierung dazu führen, dass die Arbeitsplätze der ZFA verloren gehen. Die Konsequenzen für die Patientinnen und Patienten sind: langwierige Behandlungen, Wartezeiten und Wechselwirkungen zur Allgemeingesundheit“, so Sylvia Gabel. So sei jahrelang an der Leitlinie für die Parodontalbehandlung gearbeitet worden. „Am 01.07.2021 trat sie in Kraft und ab dem 01.09.2021 wurde nach der neuen Leitlinie gearbeitet und abgerechnet. Es war ein Meilenstein, um diese Volkskrankheit zu bekämpfen. Dann wurde ab dem 01.01.2023 das Budget angeordnet. Aber die Krankenkassen genehmigen fleißig jeden Parodontal-Antrag, und die Patientinnen und Patienten erwarten eine zügige Behandlung – für die die zahnärztlichen Teams nicht bezahlt werden. Das ist für mich versteckte Leistungskürzung! Wegen der Budgetierung fallen z.B. auch Diabetiker aus dem Behandlungskonzept der Parodontologie, weil sie nicht zu den vulnerablen Gruppen gehören. Dabei ist der Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und HBA 1c Wert bekannt. Ein Motto vom Tag der Zahngesundheit lautet: Gesund beginnt im Mund! Diese Worte haben in Deutschland keine Bedeutung mehr, es wird gespart – aber am falschen Ende.“ Weiterführend: Zum Statement von Sylvia Gabel
„Schon jetzt verlieren wir im ambulanten Gesundheitswesen immer mehr Medizinische Fachangestellte (MFA) und auch ZFA an die Kliniken und Pflegeeinrichtungen“, setzte Hannelore König, Präsidentin des vmf, die Beschreibung des Status quo fort. Bei einer Online-Umfrage des vmf im Frühsommer dieses Jahres hatten 27 Prozent der MFA und sogar 51 Prozent der ZFA angegeben, weniger als 16 Euro brutto pro Stunde zu erhalten. „Die Gehaltssituation ist beschämend. Wenn ab dem 1. Mai 2024 der Mindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte mit einer mindestens einjährigen Ausbildung 16,50 Euro/Stunde steigt bzw. ab 1. März 2024 MFA/ZFA im öffentlichen Dienst 17,34 Euro/Stunde oder als qualifizierte Pflegehilfskraft 17,71 Euro/Stunde erhalten, werden noch mehr diese Berufe verlassen.“
Sie erinnerte daran, dass bei der AOK aktuell ein Einstiegsgehalt von 17,26 Euro/Stunde und bei der IKK 17,74 Euro/Stunde und zudem eine Inflationsausgleichsprämie geboten wird. Gehalt wie Prämie werden von den Sozialversicherungen bzw. vom Staat gegenfinanziert.
Dagegen hatten unter den Teilnehmenden an der Umfrage bis Mai 2023 mehr als die Hälfte nicht einmal einen Teil der Inflationsausgleichsprämie erhalten. Entsprechend zeigte sich die Unzufriedenheit mit dem Gehalt: Im Vergleich zu einer Umfrage im Februar 2022 hat sie bei MFA von 58 auf 66 Prozent und bei ZFA von 59 auf 69 Prozent deutlich zugenommen.
„Die Schlussfolgerung aus Unzufriedenheit mit dem Gehalt lautet nicht selten: Raus aus der Praxis oder dem Job. In Zeiten des Fachkräftemangels wird so mancher Gedanke daran noch eher umgesetzt“, so Hannelore König weiter. „Der Anteil derjenigen, die in den vergangenen zwölf Monaten mindestens mehrere Male im Monat daran gedacht, den AG zu wechseln bzw. aus dem Beruf MFA oder ZFA auszusteigen, lag bei knapp 40 Prozent.“
Mit Blick auf die große Gehaltsdifferenz zu anderen Berufen im Gesundheits- und Sozialwesen mit gleicher Qualifikation bekräftigte die Präsidentin die Forderung nach einer vollumfänglichen, staatlichen Gegenfinanzierung verhandelter Tariferhöhungen sowie einen Branchenmindestlohn als Lohnuntergrenze für die Fachkräfte. Kurz- bis mittelfristig seien steuerliche Regelungen für Gesundheits- und Sozialberufe mit niedrigem Bruttoentgelt notwendig, um die prekäre Situation dieser Berufe zu verbessern.
„Wir zeigen der Gesundheitspolitik die Rote Karte. Denn es geht um die Gesundheit der Menschen in Deutschland, um die wohnortnahe Versorgung und die Wertschätzung derjenigen, die daran engagiert mitwirken. Der Bundesgesundheitsminister sieht die Anhebung der Mindestlöhne für Pflege- und Betreuungskräfte als Zeichen der Anerkennung dafür, was sie täglich leisten. Der Beitrag unserer Berufsangehörigen ist keinen Deut geringer. Ihre Arbeit ist eine entscheidende Grundlage für eine gute (zahn)ärztliche Versorgung. Auch sie brauchen faire Entlohnung und zwar jetzt!“ Weiterführend: Zum Statement von Hannelore König und zu den Umfrageergebnissen MFA und ZFA
Quelle: Verband medizinischer Fachberufe, Pressemitteilung vom 04.09.2023