Abgeordnetenhaus: Weshalb keine Versorgungswerke für Berliner Berufsträgerinnen und –träger?

Berliner Abgeordnetenhaus – Drucksache 19 / 14 667

  • Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Cornelia Seibeld (CDU) und Christian Zander (CDU) vom 20.01.2023
  • Antwort der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung vom 07.02.2023

Zum Thema:

 

1. Aus welchem Grund versagt der Senat den Psychologischen Psychotherapeuten und -therapeutinnen die Gründung eines Versorgungswerks?
Die gegenwärtige Rechtslage sieht die Möglichkeit der Gründung eines Versorgungswerkes für Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychologische Psychotherapeuten nicht vor. In § 90 des Berliner Heilberufekammergesetzes vom 2. November 2018 (GVBl. 2018, S. 622) ist geregelt, dass die Möglichkeit des Anschlusses an andere Versorgungswerke bzw. die Gründung eines eigenen Versorgungswerkes nicht für solche Kammern gilt, die nach dem 22. September 1999 gegründet worden sind. Dies trifft auf die Psychotherapeutenkammer Berlin, deren Gründung erst nach dem gesetzlichen Stichtag erfolgte, zu.
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2. Wie bewertet der Senat, dass das Land Berlin als einziges Bundesland diesem Freien Beruf ein Versorgungswerk verwehrt?

Die Berliner Stichtagsregelung wurde mehrfach einer verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Überprüfung unterzogen und wurde letztlich als rechtmäßig anerkannt (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.12.2015 – 10 C 18.14 -).
Der Ausschluss der Berliner Psychotherapeutenkammer von der Errichtung einer berufsständischen Versorgung stellt keine willkürliche Einzelfallregelung dar und ist damit grundrechtskonform. Der Hintergrund ist, dass durch den Ausschluss weiterer berufsständischer Versorgungseinrichtungen neu gegründeter Kammern eine gegenüber der freiwilligen gesetzlichen Rentenversicherung möglicherweise attraktivere berufsständische Versorgung für neue Personenkreise vermieden werden soll. Auf diesem Wege kann die Leistungs- und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten und gestärkt werden. Dieser Gesichtspunkt ist in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als legitime Zielsetzung des öffentlichen Interesses anerkannt. Dass das Land Berlin dieser politischen Zielsetzung, im Vergleich zu anderen Ländern, eine hervorgehobenere Bedeutung zuerkennt, ist ein im föderalistischen Organisationssystem häufig anzutreffendes Phänomen.
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3. Aus welchem Grund dürfen Steuerberaterinnen und Steuerberater in Berlin kein eigenes Versorgungswerk gründen?
Eine sorgfältige Abwägung aller Vor- und Nachteile hat gezeigt, dass die Gründung eines Versorgungswerkes aufgrund der Vielzahl der angestellten Steuerberaterinnen und Steuerberater gegenwärtig die Gefahr einer Schwächung des gesamten Solidarsystems zugunsten einer einzelnen Berufsgruppe begründen würde. Nach Auffassung des Senats steht dies der zentralen Aufgabe der Politik, das gesamte Solidarsystem weiterzuentwickeln, entgegen.

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4. Inwiefern bezieht der Senat in seine Erwägungen zur ablehnenden Entscheidung mit ein, dass Berlin hier im Vergleich mit anderen Bundesländern eine Sonderrolle einnimmt, da Versorgungswerke für Steuerberater und Steuerberaterinnen dort selbstverständlich sind?

Als öffentlich-rechtliche Pflichtversorgungseinrichtung, klar abgegrenzt von anderen Versorgungssystemen, beruhen die berufsständischen Versorgungseinrichtungen auf landesgesetzlicher Rechtsgrundlage im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder gemäß Artikel 70 des Grundgesetzes. Sonderrollen einzelner Länder sind im Föderalismus systemimmanent und werden bei Entscheidungsfindungen stets mit bedacht.
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5. Wann gab es von beiden Berufsgruppen jeweils die letzten Vorstöße zur Gründung eines Versorgungswerks?
Der Vorstand der Psychotherapeutenkammer Berlin hat zuletzt mit an Frau Senatorin Gote und Herrn Staatssekretär Dr. Götz gerichtetem Schreiben vom 9. Januar 2023 auf eine Streichung der Stichtagsregelung des § 90 des Berliner Heilberufekammergesetzes hingewirkt.

Am 14.02.2022 fand der Antrittsbesuch von Vertreterinnen und Vertretern der Steuerberaterkammer Berlin bei Herrn Senator Wesener statt. Der Präsident, Herr Schüffner, trug den Wunsch nach der Einrichtung eines Versorgungswerkes für Steuerberaterinnen und Steuerberatern vor. Ein konkreter Arbeitsauftrag zur Errichtung wurde bisher nicht erteilt.
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6. Ist dem Senat bekannt, dass beide o.g. Berufsgruppen sich weiterhin eigene Versorgungswerke wünschen?

Dem Senat ist bekannt, dass der Wunsch sowohl der Psychotherapeutenkammer Berlin als auch der Steuerberaterkammer Berlin nach der Gründung eines eigenen Versorgungswerkes fortbesteht.
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7. Denkt der Senat darüber nach, seine bisherige Position zu überdenken und ggf. das Berliner Kammergesetz zu ändern und damit den Weg für die Gründung der Versorgungswerke frei zu machen?

Der Senat hat das o.g. Schreiben der Psychotherapeutenkammer Berlin vom 9. Januar 2023 zum Anlass genommen, die aufgeworfene Thematik erneut einer fundierten juristischen Überprüfung zu unterwerfen. Diese Prüfung zielt auf eine umfassende Abwägung der widerstreitenden rechtlichen Interessen, die jeweils für und wider die Beibehaltung der Stichtagsregelung in § 90 des Berliner Heilberufekammergesetzes sprechen, ab. Das Ergebnis dieser vertieften Prüfung wird in den neuerlichen Entwurf des Änderungsgesetzes zum Berliner Heilberufekammergesetz Einzug halten und den Berliner Heilberufekammern erneut im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung mit der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zur Verfügung gestellt werden.

Auch die Diskussion und Meinungsbildung über die zukünftige Sicherung der Altersversorgung der Steuerberaterinnen und Steuerberater ist im Senat nicht abgebrochen. Konkrete Handlungsschritte sind derzeit jedoch nicht geplant.
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