BAG: Arbeitszeiterfassung wird in Deutschland zur Pflicht
Spiegel, 13.09.2022:
Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung vom 13.09.2022:
Einführung elektronischer Zeiterfassung – Initiativrecht des Betriebsrats
Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist.
Der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeberinnen, die eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb unterhalten, schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Nachdem die Arbeitgeberinnen deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat dieses Beschlussverfahren ein. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.
Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Dies schließt ein – ggfs. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares – Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21 –
https://www.spiegel.de/karriere/landesarbeitsgericht-muenchen-arbeitgeber-muss-stunden-auch-bei-vertrauensarbeitszeit-parat-haben-a-bef1aadd-eb69-4701-a9d7-43596a9e5b22
Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt die Begründung für seinen Beschluss zur elektronischen Arbeitszeiterfassung aus dem September veröffentlicht.
Danach müssen Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten erfassen. Zu Detailfragen der Arbeitszeiterfassungspflicht gibt es allerdings noch Klärungsbedarf, hier muss der Gesetzgeber noch tätig werden.
U. G.
Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – Verbände warnen vor realitätsfernen Vorgaben im Arbeitsalltag
Über praktische Konsequenzen, die sich aus den nun vorliegenden Entscheidungsgründen des im September ergangenen Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung ergeben, schreibt nun auch Rechtsanwältin Silvia Tomassone auf Libra.Über praktische Konsequenzen, die sich aus den nun vorliegenden Entscheidungsgründen des im September ergangenen Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung ergeben, schreibt nun auch Rechtsanwältin Silvia Tomassone auf Libra.