Offener Brief an den Vorsitzenden der Vertreterversammlung der KZV Berlin

Vorbemerkung:

Die KZV Berlin hat uns drei Urteile übermittelt, nach denen sich (zwingend?) ergeben soll, dass die „Audioprotokolle“ der Vertreterversammlung nicht mehr 2 Jahre archiviert, sondern künftig nach Genehmigung des schriftlichen Ergebnisprotokolls gelöscht werden müssen (Antrag des Vorsitzenden der Vertreterversammlung vom 01.04.2019):

  1. 26.04.2013: Verwaltungsgericht Bayreuth vom 26.04.2013 – 5 K 11.594
  2. 21.03.2016: Verwaltungsgericht Berlin vom 21.03.2016 – 22 K 136.14
  3. 18.10.2017: Oberverwaltungsgericht Lüneburg vom 18.10.2017 – 10 LB 53/17

 

 

Betrifft: Löschung der Bandaufnahmen der Vertreterversammlung

 

Sehr geehrter Herr Kollege Schleithoff,

herzlichen Dank für die Übermittelung der drei Urteile über die Geschäftsstelle, welche ich mir durchgelesen habe.

Zunächst einmal, lassen Sie mich bitte anmerken, dass unsere Selbstverwaltung für unseren Berufsstand „mehr“ darstellen sollte bzw. muss, als die Vorhaltung eines rein technischen Verwaltungsträgers. Wir dürfen nicht riskieren, dass wir uns als Selbstverwaltung selbst demontieren. Dieses „mehr“ müssen wir als Leitbild immer im Auge haben. Selbstverständlich unter Beachtung von Recht und Gesetz.

Aber zu den Urteilen. Ich hatte Sie so verstanden, dass es wegen der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutzgrundverordnung einen zwingenden Grund gibt, dass ein Audioprotokolle (nach der Geschäftsordnung handelt es sich nun einmal auch um „Protokoll“) unmittelbar nach Erstellung des schriftlichen Ergebnisprotokolls gelöscht werden soll.

Erwartet hätte ich daher eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Frage der Rechtsstellung der Vertreterversammlung und der Vertreter und inwieweit Persönlichkeitsrechte für die gewählten Repräsentanten überhaupt greifen. Greifen „müssen“, aber auch greifen „sollten“. Und dies eben in Bezug auf die derzeit gültigen Gesetze und Ordnungen. Aber in diesem Zusammenhang aber auch politisch gefragt: Man stelle sich einmal vor, ein Mitglied des Abgeordnetenhauses würde verlangen, dass sein Redebeitrag nicht protokolliert werden solle, weil er meint, dass eine Protokollierung seine Persönlichkeitsrecht verletzt würden?! Von daher erscheint es mir abwegig, ähnliches im höchsten Organ unserer Selbstverwaltung in den Raum zu stellen. Denn dies bedeutet Intransparenz und im Ergebnis eine in sich abgeschlossene und unkontrollierte (Funktionärs)Gesellschaft, in welcher sich Seilschaften bilden und durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen Abhängigkeiten entstehen und so für „Korruption“ alle Wege offen stehen – und wo der Rechtsstaat keine Chance mehr hat, weil keine greifbaren Verhältnisse mehr existieren.

Intransparenz zu fördern kann aber nicht Ziel von Datenschutzvorschriften sein. Verwaltungshandeln muss transparent und nachvollziehbar sein, für unsere Selbstverwaltung gilt dies im Besonderen. Grundlage dafür ist ein einwandfreies Protokollwesen.

Wenn Sie einen Änderungsantrag zur Geschäftsordnung oder Satzung einreichen, sollte dieser also aufs ausführlichste begründet sein – und zwar bereits zusammen mit dem Tagesordnungsantrag, so dass sich alle Vertreterversammlungsmitglieder damit im Vorfeld auseinandersetzen können und nicht erst mit einer „mündlichen Tischvorlagenbegründung“. *Ironie an* Welche dann später auch nicht mehr nachvollzogen werden kann, weil das Audioprotokoll ja gelöscht werden soll *Ironie aus*.

Die mir übermittelten Urteile stammen von den unteren Gerichten, sie sind außerdem „alt“ und befassen sich wesentlich mit § 20 des alten Bundesdatenschutzgesetzes. Die KZV Berlin ist auch kein Stadtrat und auch nicht die Wirtschaftsprüferkammer. Von daher vermag ich keinen Bezug zu den Verhältnissen in der KZV Berlin als landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts herzustellen.

Aber nochmals: Es muss berufspolitischen Ziel sein, die Vertreterversammlung auch als berufsparlamentarisches Organ zu verstehen – und nicht nur als oberstes Verwaltungsorgan. Ohne diese Sichtweise braucht es keine Selbstverwaltung, dann können wir „einpacken“ und unsere berufsständischen Verwaltungsangelegenheiten auch von Staatsbediensteten erledigen lassen.

„Selbstverwaltung kommt eben nicht von selbst. Da muss man schon was für tun!“

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Alexander Klutke
Mitglied der Vertreterversammlung