Kammermitglied kann Austritt seiner IHK aus dem Dachverband verlangen, wenn dieser sich allgemeinpolitisch betätigt
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 23.03.2016 entschieden, dass einem Gewerbebetrieb, der gesetzliches Mitglied einer Industrie- und Handelskammer ist, gegen seine Kammer ein Anspruch auf Austritt aus dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK e.V.) zustehen kann, wenn dieser sich außerhalb des den Kammern gezogenen Kompetenzrahmens betätigt, namentlich Stellungnahmen zu allgemeinpolitischen Themen abgibt.
Geklagt hatte ein Unternehmen der Windenergiebranche aus Münster, das unter anderem bemängelte, der (frühere) Präsident des DIHK habe sich wiederholt zu allgemeinpolitischen Themen sowie einseitig zu Fragen der Umwelt- und Klimapolitik geäußert. Der Kläger ist gesetzliches Mitglied der örtlichen Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen, die ihrerseits dem DIHK angehört. Er forderte die örtliche Kammer schon 2007 zum Austritt aus dem Dachverband auf, weil dessen Tätigkeit den gesetzlichen Kompetenzrahmen der Industrie- und Handelskammern überschreite. Als die Kammer sich weigerte, erhob der Kläger gegen sie Klage auf Austritt aus dem Dachverband. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.
Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht Münster zurückverwiesen. Zur Begründung weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass ein Unternehmen durch die gesetzliche Pflicht, einer berufsständischen Kammer anzugehören, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit beschränkt wird. Deshalb muss es die Tätigkeit der Kammer nur in dem Rahmen hinnehmen, den das Gesetz der Kammer zieht. Nach dem IHK-Gesetz gehört es zu den wesentlichen Aufgaben der Kammer, das Gesamtinteresse der ihr angehörenden Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, namentlich die Behörden durch Vorschläge, Gutachten und Berichte zu unterstützen und zu beraten; die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen ist ausdrücklich ausgenommen.
Die Interessen der Gewerbetreibenden werden auch durch überregionale Fragen berührt, weshalb die Kammern sich zu einem Dachverband wie dem DIHK zusammenschließen dürfen, um ihre Belange gegenüber den Ländern, dem Bund oder der Europäischen Union zu vertreten. Das setzt aber voraus, dass der DIHK sich seinerseits innerhalb des den Kammern gesetzlich gezogenen Kompetenzrahmens bewegt. Äußert der DIHK sich demgegenüber auch zu allgemeinpolitischen oder zu sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Themen, so darf keine Kammer dies dulden. Dasselbe gilt, wenn der DIHK die Interessen der Kammern einseitig oder unvollständig repräsentiert, namentlich beachtliche Minderheitspositionen übergeht, oder wenn die Art und Weise seiner Äußerungen den Charakter sachlicher Politikberatung verlässt und die Gebote der Sachlichkeit und Objektivität missachtet. In derartigen Fällen kann jedes Kammermitglied von seiner Kammer verlangen, das Nötige zu tun, dass der DIHK weitere Kompetenzüberschreitungen unterlässt; bei Wiederholungsgefahr kann es von seiner Kammer verlangen, aus dem DIHK auszutreten.
Im vorliegenden Verfahren hatte der Kläger zahlreiche Kompetenzüberschreitungen aus den Jahren 2004 bis 2013 nachgewiesen. Weil das Berufungsgericht aber zur Frage, ob auch künftig eine Wiederholung derartiger Äußerungen droht, noch keine Feststellungen getroffen hat, musste die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Dieses wird bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr auch zu berücksichtigen haben, ob der DIHK in seiner Satzung wirksame Vorkehrungen gegen künftige Kompetenzüberschreitungen trifft.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 23/2016 vom 23.03.2016
Bundesverwaltungsgericht: Urteil vom 23.03.2016, Aktenzeichen BVerwG 10 C 4.15
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Weiterführend:
IfK, 18.04.2016
- Die neueren Entwicklungen zum Rechtschutz der Kammermitglieder gegen Äußerungen des DIHK e.V.
von Dipl.-Jur. Christina Jesse
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