Sozialgericht Münster: Ausschüsse in der KZV Westfalen-Lippe müssen spiegelbildlich besetzt werden
Wie adp unter Berufung auf zwei Verbandspressemitteilungen mitteilt, müssen nach einem Urteil des Sozialgerichts Münster in der KZV Westfalen-Lippe Neuwahlen für den Hauptausschuss, den Finanzausschuss und den Satzungsausschuss durchgeführt werden, da diese nicht spiegelbildlich besetzt sind:
W-L: Beendet das Sozialgericht den Streit über Besetzung der KZV-Ausschüsse?
Neuwahlen für Hauptausschuss, Finanzausschuss und Satzungsausschuss erforderlich – lesen
Aus dem Urteil (Beklagte ist die Vertreterversammlung der KZV WL) des Sozialgerichts Münster Az S 2 KA 5/11:
- KZV WL: Entsendungswahl zur Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung:
Soweit der Kläger die Ungültigkeit der Wahlen für die Mitglieder der Delegiertenversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung geltend macht, hatte die Klage keinen Erfolg. Zwar hat der Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass bei diesen Wahlen gegen die Regelungen in § 80 Abs. 1 a Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB V verstoßen worden ist. Diese Bestimmungen sehen zwingend vor, dass die Wahlen in den dort genannten Fällen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt werden müssen. Die Mitglieder für die Delegiertenversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung sind jedoch nach den Grundsätzen des Mehrheitswahlrechts bestimmt worden. Nach Auffassung der Kammer führt dies jedoch nicht zur Ungültigkeit dieser Wahlen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28.01.1998, Az.: B 6 KA 98/96 R) ist das Wahlprüfungsverfahren bei der Wahl zur Vertreterversammlung einer Kassenärztlichen Vereinigung auf sogenannte „mandatsrelevante Fehler“ beschränkt. Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch für die Wahlen innerhalb dieses Selbstverwaltungsorgans. Dies hat zur Folge, dass die Wahlen der Mitglieder zur Delegiertenversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung vom 04.12.2010 nur dann als ungültig angesehen werden können, wenn bei Anwendung der Grundsätze der Verhältniswahl sich ein anderes Ergebnis ergeben hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.
. - KZV WL: Hauptausschuss, Finanzausschuss, Satzungsausschuss:
Soweit der Kläger die Ungültigkeit der Wahlen der Mitglieder für den Haupt-, den Finanz- und den Satzungsausschuss geltend macht, hatte die Klage Erfolg. Die in der konstituierenden Sitzung der Beklagten insoweit vorgenommenen Wahlen verstoßen nämlich gegen § 24 Abs. 6 der im Zeitpunkt der Wahlen maßgeblichen Satzung. Diese Wahlen haben nämlich nicht dazu geführt, dass sämtliche Fraktionen der Beklagten angemessen in den in § 24 Abs. 1 der Satzung geregelten Ausschüssen berücksichtigt worden sind. Bei der Auslegung des Begriffs der Angemessenheit ist nach Auffassung der Kammer einerseits auf die Stellung und Funktion der Beklagten und anderseits auf die Bedeutung der Ausschüsse abzustellen. Die Beklagte ist nach § 13 Abs. 1 der Satzung der KZVWL Selbstverwaltungsorgan. Ihre Mitglieder werden in einer unmittelbaren und geheimen Briefwahl (§ 1 Abs. 1 der Wahlordnung der Beigeladenen zu 2) gewählt. Die Beklagte ist damit ein demokratisch legitimiertes Gremium der in Westfalen-Lippe zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnärzte. Dieser Umstand ist bei der Besetzung der Ausschüsse zu berücksichtigen.
Zwar ist es zulässig, die Besetzung der Ausschüsse im Sinne des § 24 Abs. 1 der Satzung der KZVWL abweichend von anderen Bestimmungen für die Besetzung von Ausschüssen vergleichbarer demokratisch legitimierter Selbstverwaltungsorgane zu regeln. So sieht z.B. § 12 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vor, dass die Zusammensetzung der Ausschüsse im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorzunehmen ist. Darüber hinaus legt § 57 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags fest, dass die Fraktionen die Ausschussmitglieder und deren Stellvertreter benennen. Auch wenn in der Satzung der KZVWL hiervon abweichende Regelungen getroffen werden können, sind bei den Wahlen jedoch bestimmte verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 13.06.1989, Az.: 2 BvE 1/88, BVerfGE 80, 188 (222); Urteil vom 16.07.1991, Az.: 2 BvE 1/91, BVerfGE 84, 302 (323) und Beschluss vom 03.12.2002, Az.: 2 BvE 3/02, BVerfGE 106, 253 (262)) hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass die Ausschüsse des Bundestages durch ihre Aufgabensteilung in die Repräsentation des Volkes durch das Parlament einbezogen sind. Deshalb muss grundsätzlich jeder parlamentarischer Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein. Zwar besteht kein Verfassungsgebot, in jedem Ausschuss jede Fraktion mit mindestens einem Sitz zu berücksichtigen. Allerdings müssen sich bei der Besetzung der Ausschüsse insgesamt die Mehrheitsverhältnisse im Parlament wiederspiegeln.
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Nach Auffassung der Kammer gilt dieser Grundsatz der „Spiegelbildlichkeit“ auch für die Zusammensetzung der in § 24 Abs. 1 der Satzung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe genannten Ausschüsse.
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Auch diese Ausschüsse bereiten die Entscheidungen der Beklagten vor und haben damit entscheidende. Einflussmöglichkeiten auf diese Entscheidungen. Darüber hinaus sind sie noch in anderer Hinsicht von ausschlaggebender Bedeutung. So vertritt z.B. der I Hauptausschuss nach § 24 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der KZVWL die Interessen der Vertreterversammlung außerhalb der nach der Satzung vorgesehenen Sitzungen. Der Vorstand hat darüber hinaus gemäß § 24 Abs. 2 Satz 4 der Satzung den Hauptausschuss über wesentliche Geschäftsvorgänge zu informieren. Diese Bedeutung der in § 24 Abs. 1 der Satzung der KZVWL geregelten Ausschüsse gebietet es nach Auffassung der Kammer, dass sich in der Besetzung der Ausschüsse insgesamt die Mehrheitsverhältnisse der Beklagten wiederspiegeln. Nur wenn dies der Fall ist, kann eine angemessene Berücksichtigung der Fraktionen bei der Besetzung der Ausschüsse angenommen werden. Die in der konstituierenden Sitzung der Beklagten vom 04.12.2010 durchgeführten Wahlen zu den in § 24 Abs. 1 der Satzung der KZVWL geregelten Ausschüssen haben jedoch nicht zu einer angemessenen Berücksichtigung der Fraktionen in diesen Ausschüssen geführt. Insgesamt gehörendem Haupt-, dem Finanz- und dem Satzungsausschuss 25 Mitglieder an. Auf die Fraktionen der „Unabhängigen Freien Zahnärzte“ und der „Freien Zahnärzte in Westfalen-Lippe“ entfallen jedoch nur insgesamt fünf Mitglieder. Dies entspricht einem prozentualen Anteil von 20 v.H., obwohl in diesen Fraktionen insgesamt 40 v.H. der Mitglieder der Beklagten zusammengeschlossen sind. Damit wird der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Grundsatz der Spiegelbildlichkeit verletzt, was wiederum zur Folge hat, dass die Wahlen in der konstituierenden Sitzung der Beklagten gegen die Bestimmung des § 24 Abs. 6 der damals maßgeblichen Satzung verstoßen haben. Eine angemessene Berücksichtigung der beiden Minderheitsfraktionen ist nämlich nicht erfolgt.
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Die Mitglieder der Mehrheitsfraktion können sich für die Rechtfertigung dieses Wahlergebnisses nicht auf die Grundsätze der Allgemeinheit, Freiheit oder Gleichheit der Wahl im Sinne des Art. 38 GG berufen. Diese Grundsätze werden nämlich durch die Vorgabe eingeschränkt, dass die Ausschüsse die Mehrheitsverhältnisse im Plenum wiederspiegeln müssen.
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In keinem Fall rechtfertigen es die Grundsätze der Allgemeinheit, Freiheit und Gleichheit der Wahl, dass eine Mehrheitsfraktion unter Anwendung des Mehrheitswahlrechts die Besetzung der Ausschüsse ohne angemessene Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse innerhalb der beklagten Vertreterversammlung vornimmt.
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Da mit den Wahlen der Mitglieder des Haupt-, Finanz- und Satzungsausschusses gegen die maßgebliche Satzungsregelung in § 24 Abs. 6 verstoßen worden ist, war insoweit die Ungültigkeit der am 04.12.2010 durchgeführteh Wahlen festzustellen.Die Kammer hat gemäß § 131 Abs. 4 SGG die aus der Feststellung der Ungültigkeit der Wahlen zu ziehenden Folgerungen zu bestimmen. Im Interesse der Funktionsfähigkeit der maßgeblichen Gremien müssen die gewählten Mitglieder weiterhin im Amt verbleiben. Die Kammer hielt zur Beseitigung der Folgen der ungültigen Wahlen die Durchführung von Neuwahlen während der laufenden Amtsperiode für erforderlich . Eine Tolerierung der Folgen der ungültigen Wahlen bis zum Ablauf der Amtsperiode scheidet aus. Die Kammer hat für die Durchführung der Neuwahlen der Beklagten eine Frist bis zum 31 .12.2014 gesetzt. Sie hat dabei bewusst eine großzügige Bemessung der Frist vorgenommen. Mit dieser Frist räumt die Kammer den Fraktionen zusätzlich noch die Möglichkeit ein, eine einvernehmliche Regelung der durch die Wahlen am 04.12.2010 entstandenen Situation herbeizuführen, obwohl entsprechende Bemühungen kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.12.2013 gescheitert sind. Die Kammer war weiterhin der Auffassung, dass die Durchführung der Neuwahlen auf der Grundlage der Satzung der KZVWL in der im Dezember 2010 maßgeblichen Fassung zu erfolgen hat.
. - Die Kammer hat entsprechend den Hilfsanträgen des Klägers und der Beklagten die Sprungrevision zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da es bisher keine höchst richterliche Rechtsprechung zur Frage der Überprüfung der Wahlen innerhalb der Vertreterversammlung einer Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung gibt.