Berlin und Vivantes ziehen Konsequenzen nach Compliance-Vorwürfen: Sondersitzung des Vivantes-Aufsichtsrates

Der Aufsichtsrat der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH hat sich heute in einer Sondersitzung mit einem Bericht zu Compliance-Vorwürfen befasst. Die Vorwürfe gehen auf anonyme Hinweise aus der Belegschaft des Unternehmens zurück. Der Aufsichtsrat hatte kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe die Anwaltskanzlei Luther im Oktober 2022 mit einer Untersuchung beauftragt. Außerdem hatte der Aufsichtsrat im Sommer 2022 einen Ad-Hoc-Ausschuss gebildet, der sich mit den Hinweisen befasste und die Untersuchung durch die Kanzlei begleitete.

Die von der Kanzlei untersuchten Vorgänge betreffen nicht die aktuelle Geschäftsführung oder den Aufsichtsrat. Sie betreffen mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Bau- und Planungsleistungen im Zeitraum ab 2015 bis 2022 durch den Bereich Facilitymanagement & Bau des Tochterunternehmens Vivantes Service GmbH (VSG). Hier soll es unter anderem zu einer auffälligen Häufung von Aufträgen an bestimmte Unternehmen gekommen sein. Weiterhin soll es persönliche Verflechtungen zwischen einzelnen Planungsbüros und Mitarbeitenden des Fachbereichs Facilitymanagement & Bau gegeben haben.

Die Anwaltskanzlei hat während ihrer Untersuchung umfangreiches Datenmaterial ausgewertet. Der vorliegende Bericht umfasst rund 570 Seiten.

Ergebnis: Das Vergaberecht wurde regelmäßig und in einer Vielzahl von Bauvorhaben nicht eingehalten. Vergaberechtliche und unternehmensinterne Regelungen wurden dem Anschein nach zum Teil absichtlich missachtet. Zudem steht der Verdacht einer Vorteilsannahme im Raum.

Die Prüfung möglicher Straftatbestände sind Sache der ermittelnden Behörden. Daher sollen die strafrechtlich relevanten Feststellungen des Berichts der Staatsanwaltschaft Berlin zur Verfügung gestellt werden.

Stefan Evers, Senator für Finanzen:

„Die Vorwürfe sind schwerwiegend. Die Geschäftsführung muss schnellstmöglich komplette Transparenz sicherstellen und strukturelle Schlussfolgerungen für das Unternehmen ziehen. Dazu gehören gegebenenfalls auch personelle Konsequenzen. Die unternehmensinternen Kontrollmechanismen waren ganz offensichtlich nicht ausreichend. Das Compliance-Management-System muss dringend neu aufgestellt werden. Die strafrechtlich relevanten Feststellungen des Berichts werden der Staatsanwaltschaft zugänglich gemacht. Soweit mögliche Schadenersatzansprüche im Raum stehen, müssen sie von Vivantes konsequent durchgesetzt werden.“

Dr. Ina Czyborra, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege:

„Die Aufarbeitung der Vorwürfe muss schnellstmöglich, aber auch gründlich und transparent erfolgen. Als Gesundheitssenatorin lege ich großen Wert darauf, dass während dieses Prozesses die Arbeit in den Krankenhäusern von Vivantes nicht beeinträchtigt wird. Vivantes ist als landeseigenes Unternehmen sehr wichtig für die Gesundheitsversorgung Berlins. Heute und auch in der Zukunft. Im Hinblick auf die uns bevorstehende Krankenhausreform müssen die Häuser weiterentwickelt werden. Um den Herausforderungen der Zukunft – wie zum Beispiel dem Fachkräftemangel oder dem Klimawandel – gut vorbereitet zu begegnen, muss der Vivantes-Konzern funktionierend aufgestellt sein. Es ist daher wichtig, dass eine schnelle und lückenlose Aufklärung dafür sorgt, dass sich die Vivantes-Geschäftsführung voll und ganz den Aufgaben der Zukunft widmen kann.“

Prof. Dr. mult. Eckhard Nagel, Vorsitzender des Vivantes-Aufsichtsrats:

„Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Untersuchung zeigen deutlich, dass der Konzern im Bereich „Compliance“ grundlegende strukturelle Veränderungen vornehmen muss. Dementsprechend hat es in den zurückliegenden Monaten ein verstärktes Augenmerk durch den Aufsichtsrat hierzu gegeben und die Geschäftsführung hat begonnen, die im Rahmen der Untersuchung aufgezeigten Defizite umfassend und nachhaltig zu beseitigen.“

Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Vivantes Geschäftsführung:

„Ich danke dem/der anonymen Hinweisgeber*in, der/die den Stein ins Rollen brachte. Der Fall gibt uns Gelegenheit unsere Compliance und Corporate Governance Strukturen zu verbessern. Wir werden den umfangreichen Abschlussbericht auswerten und die nötigen Konsequenzen ziehen. Erste Maßnahmen wurden bereits in die Wege geleitet. Dazu gehören unter anderem die strikte personelle Trennung der Zentralen Vergabestelle vom Ressort Bau, die Zentralrevision der Compliance-Architektur und des Ressorts Bau / FM bei Vivantes und die Stärkung von Corporate Governance und Compliance. Nicht zuletzt werden wir die individuelle Verantwortung einzelner Mitarbeiter*innen im Hinblick auf möglicherweise nicht regel- oder gesetzeskonformes Verhalten prüfen und Ermittlungen prüfen und dabei selbstverständlich auch im vollen Umfang mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten.“

Hintergrund:
Das Land Berlin ist Alleingesellschafter der Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH. Zum Unternehmen gehören 9 Krankenhäuser, 18 Pflegeheime, 2 Seniorenwohnhäuser, eine ambulante Rehabilitation, Medizinische Versorgungszentren, ein Hospiz sowie Tochtergesellschaften für Catering, Reinigung und Wäsche. Bei Vivantes arbeiten rund 18.000 Beschäftigte.

Quelle: Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH, Pressemitteilung vom 17.10.2023