BGH: Urteil erst in einigen Wochen, aber Anbieter auf Amazon könnten möglicherweise für Kundenbewertungen haften
SZ, 14.11.2019:
Hintergrund:
Verhandlungstermin am 14. November 2019,
um 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 193/18
(Haftung für Kundenbewertungen bei Amazon)
Datum: 14.11.2019
Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts für Bewertungen des Produkts durch Kunden eine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.
Sachverhalt:
Der Kläger ist ein eingetragener Wettbewerbsverein. Die Beklagte vertreibt sogenannte „Kinesiologie Tapes“. Sie hat diese Produkte in der Vergangenheit damit beworben, dass sie zur Schmerzbehandlung geeignet seien, was jedoch medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat deshalb am 4. November 2013 gegenüber dem Kläger eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
Die Beklagte bietet ihre Produkte auch bei der Online-Handelsplattform Amazon an. Dort wird für jedes Produkt über die EAN (European Article Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die sicherstellen soll, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts angezeigt werden. Käufer können auf der Online-Handelsplattform die Produkte bewerten. Amazon weist eine solche Bewertung ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. Das hat zur Folge, dass zu einem Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem – unter Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen – Produkt abgegeben wurden.
Am 17. Januar 2017 bot die Beklagte bei Amazon „Kinesiologie Tapes“ an. Bei diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem die Hinweise „schmerzlinderndes Tape!“, „This product is perfect for pain…“, „Schnell lässt der Schmerz nach“, „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“ und „Schmerzen lindern“ enthielten. Der Kläger forderte daraufhin von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Löschung der Kundenrezensionen lehnte Amazon auf Anfrage der Beklagten ab.
Der Kläger begehrt Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe sowie der Abmahnkosten. Die Beklagte habe sich die Kundenrezensionen zu Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht anbieten.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch aus § 8 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Zwar seien die in den Kundenrezensionen enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführend. Sie stellten aber keine Werbung dar. Zumindest wäre eine solche Werbung der Beklagten nicht zuzurechnen. Die Verantwortlichkeit der Beklagten ergebe sich auch nicht aus einem Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Vorinstanzen:
LG Essen – Urteil vom 30. August 2017 – 42 O 20/17
OLG Hamm – Urteil vom 11. September 2018 – 4 U 134/17