Lesermeinung: Die Aufgaben der Zahnärztekammer oder die Aufgabe der Bundeszahnärztekammer

Gerne veröffentlichen wir folgenden Leserbrief:

Unsere föderalistische Grundordnung sieht eine landesrechtliche Kammerstruktur vor, das heißt, dass jedes Bundesland seine eigene Zahnärztekammer besitzt (in Nordrhein-Westfalen gibt es sogar zwei getrennte Zahnärztekammern, eine für Nordrhein und eine für Westfalen). Zusammen sind es also 17 Zahnärztekammern, die neben der Erfüllung der ihnen zugewiesenen staatlichen Aufgaben, als Interessenvertretung ihrer Mitglieder fungieren sollen. Auch besitzen sie Satzungsgewalt, welche personell auf ihre Mitglieder und sachlich auf ihren Aufgabenkreis beschränkt ist. Der Staat hat die Aufsicht (Staatsaufsicht) über die Kammer. Es besteht die gesetzliche Pflicht zur Mitgliedschaft, sofern man zu der betreffenden Berufsgruppe zählt. So weit so gut. Da die übertragenden Aufgaben überwiegend landesrechtlicher Natur sind, hat jede Landeszahnärztekammer mit der ihr eigenen zugeordneten Landesbehörde eine Staatsaufsicht. Mit dieser Staatsaufsicht sollten alle übertragenden Aufgaben konzertiert werden, wobei ganz eindeutig die Fachkompetenz und die damit einhergehende präjustiziable Auslegung der Gleichen eindeutig auf Seiten der Kammer liegt.

Zu den wichtigsten Aufgaben der Zahnärztekammer sollten gehören:

  • Schaffung und Erhaltung einer einheitlichen Berufsauffassung.
  • Beratung und Unterstützung der Mitglieder in allen beruflichen Fragen
  • Förderung der beruflichen Fort- und Weiterbildung sowie Qualitätssicherungsmaßnahmen
  • Überwachung der Berufsordnung zur Gewährleistung des Ansehens des Berufsstandes
  • Regelung und Durchführung der Berufsgerichtsbarkeit
  • Vertretung der Interessen der Mitglieder gegenüber Behörden und der Öffentlichkeit
  • Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege
  • Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Ärzten untereinander und mit Patienten
  • Zuständige Stelle für die Berufsausbildung des Fachpersonals der Kammerangehörigen
  • Qualitätssicherung Röntgen
  • Gutachterstelle für Gerichte und Behörden in allen Berufs- und Fachfragen
  • Benennung von Gutachtern und Sachverständigen
  • Berufsständisches Versorgungswerk

In jedem Bundesland sind die Strukturen unterschiedlich und deshalb ist eine föderalistische Aufteilung hier auch absolut gerechtfertigt. Eine Kammer in der Nähe der eigenen Mitglieder.

Was sollte, was könnte aber nun die Aufgabe einer Bundeszahnärztekammer sein, die ausdrücklich keine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist und „nur“ ein Verein ist? Es gibt sicherlich viele Schnittmengen und Koordinierungsbedarf in den Punkten Rechtsauslegung, Berufsordnung, Approbationsordnung, Berufsanerkennung, Praxisführung, Zahnärztliches Fachpersonal und natürlich die Gebührenordnung. Apropos Gebührenordnung: Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) regelt die Vergütung von zahnärztlichen Leistungen. Rechtsgrundlage für den Erlass ist § 15 Zahnheilkundegesetz: Zitat: „Dabei wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für zahnärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln. In dieser Gebührenordnung sind Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen festzusetzen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen.“

Da es sich hier also um ein Bundesgesetz handelt, sollte genau dies der absolute Fokus der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Zahnärztekammern e. V. sein, aber leider ist genau hier seit 30 Jahren Stillstand und den berechtigten Interessen der Zahnärzte wurde nicht annähernd Rechnung getragen. Nein, das berechtigte Interesse der Kollegen wird hier vom Verordnungsgeber schlichtweg ignoriert und die Bemühungen der BZÄK in diesem Bereich sind leider eher überschaubar und man verweist darauf, dass man ja eh nichts dagegen machen kann (Aussage des Präsidenten Prof. Dr. Benz auf der DV der ZÄK am 17.2.2022). Da beschäftigt man sich also lieber mit sich selbst und ein Präsidium bestehend aus 17 Landeszahnärztekammerpräsidenten ähnelt eher dem karnevalistischen Elferrat und die Bundesversammlung einer Festsitzung.

Sorry, aber diese Struktur ist so etwas wie aus der Zeitgefallen und sollte dringend überarbeitet werden, damit dann das freiwerdende Geld in effektive professionelle Lobbyarbeit gesteckt werden kann, statt für die Befriedigung von Eitelkeiten alter Männer zu fließen.

Wirklich traurig, dass die Mehrheit der Delegierten der Zahnärztekammer Berlin dies nicht verstanden haben und sich auf der Delegiertenversammlung der Zahnärztekammer am 17.02.2022 gegen den Antrag der IUZB entschieden haben.*

Fazit: Was könnte man ändern, was sollte man ändern. Zuerst einmal sollte man den Mut aufbringen und mit gutem Beispiel voran diesen Mummenschanz dadurch ein Ende setzen, in dem die Zahnärztekammer Berlin aus der BZÄK austritt. Dann sollte man den anderen Zahnärztekammern eine Alternative offerieren und ein modernes Koordinierungsorgan schaffen, dass die Stärken der einzelnen Kammern fördert, frei nach dem Motto: „man braucht nicht 17mal das Rad neuerfinden“. Das frei gewordene Geld kann man dann in professionelle Lobbyisten Arbeit investiert. .. Die Autoindustrie, die Pharmaindustrie und alle Energie-Konsortien arbeiten heutzutage äußerst erfolgreich mit Lobbyisten oder wie man sie auch neudeutsch nennt „Public Affairs“. – Rechenbeispiele: Die Berliner Zahnärzteschaft hat der BZÄK im vergangenen Jahr 504.012 € Beiträge zur Verfügung gestellt und dabei sind die Sitzungsgelder der Ausschüsse, des Präsidenten und der Delegierten noch nicht einmal berücksichtigt. Insgesamt spenden die 72.591 deutschen Zahnärzte 8.449.592,40€ dem Verein. Ein Vollzeit Public Affairs verdiente im vergangenen Jahr durchschnittlich ca. 5000€ (brutto)/mtl. Allein die Zahnärztekammer Berlin könnte also 8 Public Affairs beschäftigen und hätte dann immer noch 24.000€ übrig, um dem Hilfswerk oder anderen Bedürftigen unter die Arme zu greifen.

Zum Schluss ein Hinweis an die lieben Delegierten der Zahnärztekammer Berlin: Eure nächste Versammlung ist am 19. Mai 2022, bis dahin solltet Ihr in Euch gehen, das hier geschriebene durchdenken und einen neuen Antrag zur Aufgabe oder zur Umgestaltung der BZÄK formulieren.

Also liebe Kollegen aufwachen und nächstes Mal richtig wählen.

Euer

Gernold Winter
(Alias, die Realperson ist der Redaktion bekannt, sie ist Mitglied der Zahnärztekammer Berlin)

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Hinweis:

* Der Autor meint hier den Antrag Nummer 5 der IUZB:

5. Vorratsbeschluss zu den Beiträgen zur BZÄK = Kündigungsoption:
Die DV fordert den Vorstand der ZÄK-Berlin für den Fall einer Erhöhung der Beiträge in den Jahren 2022 bis 2026 durch die BZÄK auf, der Delegiertenversammlung einen Beschluss zum Austritt aus der Bundeszahnärztekammer zur Abstimmung vorzulegen.
Begründung: Die Schmerzgrenze der Belastung für den Berliner Kammerhaushalt bezüglich der BZÄK Mitgliedschaft ist mit Kosten von derzeit ca. 550.000.- Euro jährlich bereits erreicht.