„Frag den Staat“ gewinnt gegen den Staat

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 12.03.2014 zu 24 W 21/14:

Zwar trifft es zu, dass grundsätzlich auch inhaltliche Werkelemente – wie etwa die Fabel eines Romans – dem Urheberrechtsschutz zugänglich sein können; dies gilt bei Sprachwerken wissenschaftlichen und technischen Inhalts aber nur mit der Einschränkung, dass Gedanken und Lehren in ihrem Kern, ihrem gedanklichen Inhalt, in ihrer politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Aussage, Gegenstand der freien geistigen Auseinandersetzung bleiben müssen und nicht auf dem Weg über das Urheberrecht monopolisiert werden können (vgl. nur Loswenheim in: Schricker I Loswenheim (4. Auflage 2010) § 2 UrhG Rdn. 59).

Dem steht schon der Schutz der Meinungsfreiheit und der Freiheit der Wissenschaft und Lehre entgegen, der durch Art 5 Abs.1 und 3 GG gewährleistet wird. Dieser schützt gleichermaßen die Freiheit der wissenschaftlichen wie der politischen Auseinandersetzung; diese kann deshalb nicht dadurch eingeschränkt werden, dass bestimmte Argumente oder gedankliche Zusammenhänge einem Schutz unterstellt werden, der jeden anderen als den Urheber von ihrer Verwendung ausschließt. Für den urheberrechtliehen Schutz verbleibt deshalb im Wesentlichen nur die Darstellung und Formgestaltung unter Ausschluss der inhaltlichen Elemente.

Es geht um diese Stellungnahme, welche vom Bundesinnenministerium nach einem Antrag nach dem IFG mit dem Hinweis „Antragsgemäß übersende ich Ihnen als Anlage die BMI interne Stellungnahme. Ich weise darauf hin, dass der Vermerk lediglich zu privater Kenntnisnahme, jedoch nicht zu Veröffentlichungszwecken nach dem IFG herausgegeben wird“ herausgegeben wurde und zu welchem das Kammergericht konkret ausführt:

Der vergleichsweise kurze- nur 4 1/2 seitige- Text besteht zu weiten Teilen aus wörtlichen Zitaten aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.11.2011; diese genießen schon nach § 5 Abs.1 UrhG keinen urheberrechtliehen Schutz. Dass weiteres Hintergrundmaterial in nennenswertem Umfang verarbeitet worden wäre, kommt im Text jedenfalls nicht zum Ausdruck. Natürlich trifft es zu, dass sich die Stellungnahme nicht auf eine rein deskriptive Beschreibung des Urteils beschränkt, sondern aus der Urteilsanalyse einen Argumentationsstrang zum Beleg der Auffassung entwickelt, dass auch eine 2,5%ige Sperrklausel bei der Europawahl verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Gedanken und Argumente sind aber – aus den dargelegten Gründen – als solche nicht urheberrechtsschutzfähig. Die sprachliche Gestaltung, zu der im Einzelfall auch die Darstellung und die Art und Form der Gedankenführung gehören können, lässt im vorliegenden Fall keine ausgeprägt individuellen, eigenschöpferischen Züge erkennen. Damit ist über den inhaltlich- fachlichen Wert der Vorlage kein Urteil gesprochen; dieser ist für die Frage der urheberrechtliehen Schutzfähigkeit des Textes aber ebensowenig von ausschlaggebender Bedeutung wie das Interesse, das diese Stellungnahme in der Öffentlichkeit gefunden hat.