Bundestag ändert Berufsrecht der Anwälte und Steuerberater

Problem und Ziel:

Spoiler
(Drucksache 19/27670) Im Bereich des anwaltlichen Gesellschaftsrechts besteht Handlungsbedarf, da das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Regelungen zum zulässigen Gesellschafterkreis und den Mehrheitserfordernissen in interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaften unter Beteiligung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten für teilweise verfassungswidrig erklärt hat (Beschluss vom 14.1.2014 – 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12, sowie Beschluss vom 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12). Da sich teilweise parallele Regelungen auch in der Patentanwaltsordnung (PAO) und im Steuerberatungsgesetz (StBerG) finden, erstreckt sich der gesetzgeberische Handlungsbedarf auch auf die PAO und StBerG. Zudem ist das geltende Berufsrecht der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften unvollständig und inkohärent. Das geltende Recht trägt auch den veränderten Organisationsformen der anwaltlichen Arbeit nicht Rechnung. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Patentanwältinnen und Patentanwälte sowie Steuerberaterinnen und Steuerberater üben heute ihren Beruf zu einem großen Teil in Berufsausübungsgesellschaften aus, ohne dass sich dies hinreichend im entsprechenden Berufsrecht widerspiegelt. Schließlich haben sich die Berufsrechte der anwaltlichen und steuerberatenden Berufe auseinanderentwickelt, ohne dass dies durch Unterschiede im Berufsbild gerechtfertigt wäre.
Darüber hinaus sind zahlreiche Einzelpunkte im Bereich des Berufsrechts reformbedürftig. So wird das für die anwaltliche Berufsausübung zentrale Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen bisher allein auf Satzungsebene in der Berufsordnung geregelt. Zudem müssen Teile der Berufsordnungen an die tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen angepasst werden.

Lösung:

Deutscher Bundestag, Pressemitteilung vom 10.06.2021:

Der Bundestag hat am Donnerstag, 10. Juni 2021, einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe (19/27670) angenommen. Der Vorlage stimmten CDU/CSU, SPD, AfD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP-Fraktion zu. Ein Änderungsantrag der AfD (19/30555) zum Regierungsentwurf wurde mit den Stimmen der übrigen Fraktionen abgelehnt.

Ebenfalls angenommen wurde ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften (19/26828, 19/26920), zu dem auch die Stellungnahme des Bundesrates vorlag (19/27670). Der Entwurf wurde in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP, Linksfraktion und Grünen bei Enthaltung der AfD angenommen. Beiden Gesetzentwürfen lagen Beschlussempfehlungen des Rechtsausschusses (19/30516, 19/30503) zugrunde.

Keine Mehrheit fand ein Antrag der FDP mit dem Titel „Rechtsstandort Deutschland stärken – Juristische Ausbildung an das digitale Zeitalter anpassen“ (19/23121). Dagegen stimmten CDU/CSU, SPD und AfD, dafür die FDP bei Enthaltung der Linksfraktion und der Grünen. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (19/26308 Buchstabe a) zugrunde.

Erster Gesetzentwurf der Bundesregierung

Die Bundesregierung begründet ihren ersten Gesetzentwurf (19/27670) mit Handlungsbedarf, da das Bundesverfassungsgericht die Regelungen zum zulässigen Gesellschafterkreis und den Mehrheitserfordernissen in interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaften unter Beteiligung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten für teilweise verfassungswidrig erklärt habe. Zudem sei das geltende Berufsrecht der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften unvollständig und inkohärent. Darüber hinaus seien zahlreiche Einzelpunkte im Bereich des Berufsrechts reformbedürftig.

Mit der Annahme des Gesetzentwurfs wurde das Recht der Berufsausübungsgesellschaften in der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und dem Steuerberatungsgesetz umfassend neu geregelt. Dabei wurden die Einzelfallentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt. Ziel ist es, der Anwaltschaft und den Steuerberatern gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit zu gewähren, weitgehend einheitliche und rechtsformneutrale Regelungen für alle anwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften zu schaffen und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu erleichtern. Außerdem wird die Berufsausübungsgesellschaft als zentrale Organisationsform anwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Handelns anerkannt. Über die Neuregelung des Gesellschaftsrechts hinaus wurde das Berufsrecht mit den beschlossenen Änderungen modernisiert.

Zweiter Gesetzentwurf der Bundesregierung

Hintergrund des Gesetzentwurfs zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften (19/26828) ist laut Regierung Modernisierungsbedarf in verschiedenen Bereichen. So wird die Einsicht in notarielle Urkunden und Verzeichnisse, die älter als 70 Jahre sind, zu Forschungszwecken grundsätzlich ermöglicht. Die Voraussetzungen für das Verfahren bei einer Akteneinsicht zum Schutz der Belange der betroffenen Personen wurden detailliert geregelt werden. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll vor allem durch die von einem auf drei Jahre verlängerte Möglichkeit der Amtsniederlegung mit Wiederbestellungsgarantie am selben Amtssitz verbessert werden. Schriftliche juristische Prüfungen sollen künftig auch elektronisch durchgeführt werden. Zudem wird ein Teilzeitreferendariat ermöglicht.

In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates (19/26920) hatte die Bundesregierung die meisten Änderungsvorschläge der Länderkammer abgelehnt. So heißt es beispielsweise in der Gegenäußerung, das Ziel des Vorschlags des Bundesrates, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Leistungen sicherzustellen, werde geteilt. Zu diesem Zweck eigne sich die vorgeschlagene Streichung der Ausnahmeregelung für die Bestellung von Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren für den Fall, dass Notariatsstellen im regulären Verfahren nicht besetzt werden können, jedoch nicht.

Der Vorschlag berücksichtige nicht hinreichend, dass in den ländlichen Regionen der Länder, in denen Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare bestellt werden, Notariatsstellen schon derzeit – gegebenenfalls auch für längere Zeit – teilweise unbesetzt geblieben sind, so die Regierung. In Anbetracht der sogenannten „Landflucht“ stehe zudem zu befürchten, dass sich diese Tendenz künftig verstärken wird. Hieraus ergebe sich ein konkreter und unmittelbarer Nachteil für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Leistungen. Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung sollen deshalb unbesetzte Notariatsstellen im ländlichen Bereich vermieden werden, heißt es weiter.

Abgelehnter Antrag der FDP

Für die Anpassung der juristischen Ausbildung an das digitale Zeitalter im Sinne der Stärkung des Rechtsstandorts Deutschland sprach sich die FDP-Fraktion in ihrem abgelehnten Antrag aus (19/23121).

Der Bundestag sollte die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das Richtergesetz unter anderem dahingehend ergänzt, dass im Rahmen der Pflichtfächer die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung und der Anwendung statistischer Methoden berücksichtigt wird. Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel sollte eine einmalige finanzielle Bundesförderung für die Neueinrichtung einer beschränkten Zahl an Professuren im Bereich Legal-Tech bereitgestellt werden. (mwo/10.06.2021)

 

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