VG Hamburg: Erfolgloser Eilantrag einer Zahnärztin auf Gewährung einer Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2

Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 17.02.2021, Az 21 E411/21

Vollständig

Auszüge:

Aus dem Antrag:

Die 61-jährige Antragstellerin ist niedergelassene Zahnärztin.

Sie verweist insoweit auf den epidemiologischen Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19 des Robert-Koch-Instituts, Stand 8. Januar 2021. Dort heißt es auszugsweise:

„Medizinischer Sektor (..) Ein Hochrisikosetting sind Aerosol-produzierende Vorgänge wie z.B. Intubation, Bronchoskopie oder bestimmte zahnärztliche Prozeduren.“

Aufgrund dieser Feststellung sei die Einordnung der zahnärztlichen Tätigkeit in die höchste Gefährdungskategorie nach § 2 Nr. 4 CoronaImpfV unabweisbar.

Ablehnungsgründe:

Bei der von der Antragstellerin vorgetragenen zahnärztlichen Tätigkeit handelt es sich unstreitig um eine aerosolgenerierende Tätigkeit. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin dürfte jedoch das Infektionsrisiko bei einer solchen zahnärztlichen Behandlungstätigkeit grundsätzlich nicht so hoch liegen, wie bei den anderen in § 2 CoronaImpfV genannten Berufs- und Tätigkeitsgruppen. Denn bei dieser Tätigkeit dürfte die Antragstellerin nur einem hohen und nicht – wie von der Vorschrift vorausgesetzt – einem sehr hohen Expositionsrisiko im Sinne der Vorschrift ausgesetzt sein.

So geht die Ständige Impfkommission bei Zahnärzten davon aus, dass sie nur einem hohen, nicht jedoch einem besonders hohen Expositionsrisiko ausgesetzt sind (Beschluss der STIKO zur 2. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung, Epid Bull 5 /2021, S. 46, 10.2.1.). Als Beispiele für Tätigkeitsbereiche und Personengruppen mit einem besonders hohen Expositionsrisiko, hat die Ständige Impfkommission dagegen ausdrücklich „Beschäftigte aus Bereichen, in denen aerosolge-nerierende Tätigkeiten an COVID-19-PatientInnen durchgeführt werden, z.B. In- und Extubation, Bronchoskopie, Laryngoskopie“ benannt (Beschluss der STIKO zur 2. Aktualisie-rung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung, Epid Bull 5 /2021, S. 47, Tabelle 17). Zweifel an dieser auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Einschätzung der Ständigen Impfkommission sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

Insbesondere sind auch die Ausführungen des Robert-Koch-Instituts im epidemiologischen Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19 nicht geeignet, Zweifel an der Bewertung des Expositionsrisikos durch die Ständige Impfkommission zu begründen. Im Steckbrief wird unter der Überschrift „Übertragungswege“ ausgeführt: „Medizinischer Sektor (..) Ein Hochrisikosetting sind Aerosol-produzierende Vorgänge wie z.B. Intubation, Bronchoskopie oder bestimmte zahnärztliche Prozeduren. Zur Verhinderung einer Übertragung werden bei diesen Tätigkeiten spezielle Atemschutzmasken durch die betroffenen Berufsgruppen getragen.“

Der Steckbrief dient, wie sich aus der Einleitung ergibt, als orietierende Literatur-Zusammenfassung, kann aber nicht für jeden Gliederungspunkt die Detailtiefe einer systematischen Übersichtsarbeit darstellen. Entsprechend sind die Ausführungen eher allgemein gehalten. Weder ist der Begriff „Hochrisikosetting“ definiert, noch finden sich Beispiele dazu, welche zahnärztlichen Tätigkeiten gemeint sind.

Dagegen handelt es sich bei den Ausführungen der Ständigen Impfkommission um eine ausführliche und differenzierte Darstellung des Expositionsrisikos im medizinischen Bereich, welche unter Berücksichtigung der hohen Variabilität des arbeitsbedingten Expositionsrisikos aufgrund unterschiedlicher Einsatzbereiche und Tätigkeiten eine differenzierte Bewertung für die einzelnen Bereiche trifft (s.a. Beschluss der STIKO zur 2. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung, Epid Bull 5 /2021, S. 47, Tabelle 17).

Daran, dass diese Einschätzung wissenschaftlich fundiert ist, hat die Kammer keine Zweifel. Schließlich steht die Einschätzung im Steckbrief des Robert-Koch-Instituts nicht per se im Widerspruch zu den Ausführungen der Ständigen Impfkommission in der Beschlussempfehlung, da hiernach ebenfalls nur bestimmte zahnärztliche Tätigkeiten als „Hochrisikosetting“ einzuordnen sind; die zahnärztliche Tätigkeit dürfte damit auch hier nicht allgemein als „Hochrisikosetting“ zu bewerten sein.

Gegen die Entscheidung kann die Antragstellerin Beschwerde bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht erheben.

PS. Auch ein Hinweis der Antragstellerin auf einen Zeitungsartikel der Bild-Zeitung vom 27. Januar 2021 mit der Überschrift „Schon 20 Feuerwehr-Bosse geimpft“ hat das Gericht nicht überzeugt.

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