Wissenschaft zuerst, denn Zahnheilkunde ist kein Gewerbe – ein Kommentar zum letzten Kammernewsletter

In dem aktuellen Newsletter der Zahnärztekammer wird auf drei „Studien“ hingewiesen.

Überschrift

Schutzmaßnahmen senken Risiko einer Coronainfektion

Immer lauter summte ich das Lied: Hier kommt Kurt, ohne Helm und ohne Gurt… (unbedingt beim Weiterlesen im Hintergrund abspielen, an wen Sie im Vorstand dabei denken, bleibt Ihnen überlassen).

Beim querlesen wurde mein Blick gleich gefesselt von dem fettgeschriebenen:

dass vergleichsweise einfache Schutzmaßnahmen ausreichten, um das Ansteckungsrisiko während der zahnärztlichen Berufsausübung signifikant zu senken.

Etwas vereinfacht ist die Bedeutung/Übersetzung von „signifikant“ in statistischen Zusammenhängen: „mehr als Zufall“ (Beispiel: Man hat signifikant höhere Chancen auf eine Lottogewinn, wenn man einen Schein abgegeben hat). Nun, der erste Teil des Textes hat mich also noch nicht richtig überzeugt. Also nochmals richtig gelesen:

Lombardei-Studie:

Pilotstudie wäre hier schon schmeichelhaft, aus n=11 Zahnärzten auf die Lombardei zu schließen ist statischer Unsinn.

Wuhan-Studie:

Ist nur eine wichtige Beschreibung von extremen Schutzmaßnahmen, alles andere ist spekulative Überinterpretation.

US-Studie:

Hier ist der Name „Pilot-Studie“ im bestem Sinne angebracht. Mehr als eine Umfrage-Studie war zum sehr frühen Untersuchungszeitraum Mai/Juni 2020 wohl nicht möglich. Immerhin, etwa 2000 haben daran teilgenommen. Von Randomisierung kann jedoch nicht gesprochen werden. Bias-Gefahr sehr hoch, dadurch können sich die Ergebnisse völlig umdrehen.

Aber: Ein sehr großer Anteil der US-Ärzte benutzt Respirators bei allen Behandlungen, obwohl die ADA das nur bei aerosol-produzierenden Behandlungen deutlich empfiehlt (Leitlinie der DGZMK und BZÄK dagegen nicht). An dieser Stelle: Mit „aerosolproduzierend“ hat sich ein Missverständnis breit gemacht: Turbine, Ultraschall usw.  Der manchmal sprechende und hüstelnde, und hoffentlich atmende Patient produziert immer Aerosole.

Zusammenfassung:

Nach unserer Berufsordnung besteht die Pflicht zu wissenschaftlich fundierter Berufsausübung, hieran sollte sich auch die Kammer mit ihren Rundbriefen orientieren. Die Studien aus Wuhan und der Lombardei kann ich in diesem Zusammenhang nur als populistische Munition einstufen. Bei Interpretation der US-Studie reicht meine wissenschaftliche Kompetenz für eine solide Einordnung nicht aus; schön wäre es, wenn die Kammer hier nochmal die Meinung eines (Fach-) Wissenschaftlers nachreichen würde.

 

Klaus-Peter Jurkat
Zahnarzt und
Mitglied der IUZB-Wahlliste