Offener Brief der IUZB an den Regierenden Bürgermeister und den Bundesgesundheitsminister

Aus Verantwortung für unsere Patienten und MitarbeiterInnen
Auch Zahnarztpraxen brauchen Schutzmaterialien und wirtschaftliche Absicherungen

 

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Müller,
sehr geehrter Herr Minister Spahn,

die Initiative Unabhängige Zahnärzte Berlin (IUZB) ist ein im Land Berlin vertretender Berufsverband. Unsere Mitglieder kandidieren regelmäßig als Wahlliste um die Sitze in unseren drei zahnärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften im Land Berlin und bringen sich so ehrenamtlich und auf ideeller Grundlage öffentlich ein. Hierbei setzten wir uns insbesondere für mehr Transparenz in unseren Selbstverwaltungen ein. Wir befinden uns jedoch leider „nur“ in der Opposition. Dies bedeutet wir stellen im Land Berlin in keiner der drei Körperschaften, also Zahnärztekammer, KZV und Versorgungswerk, Vorstandsmitglieder. Dennoch müssen wir uns jetzt aber auch an Sie wenden.

Aktuell erleben wir eine bisher unvorstellbare weltweite Ausbreitung eines neuen Corona Virus mit vielen bestätigten Krankheits- und Todesfällen. Auch das Gesundheitssystem in Berlin steht vor sehr großen Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund wenden wir Zahnärzte uns an Sie in Ihrer amtlichen Funktion und Aufgabe als Regierender Bürgermeister und als Bundesminister, um Sie aufzufordern, die Arbeit im Gesundheitsbereich mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zu unterstützen.

Folgende Punkte sind essentiell:

  1. Hochrechnungen lassen befürchten, dass spätestens um Ostern das Berliner Gesundheitssystem an seine Grenzen kommen wird.
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  2. Jeden Tag behandeln auch wir Zahnärzte mit unseren engagierten Teams Patienten ohne der Coronoa-Situation angemessenen adäquaten Schutz, da die Schutzmittel derzeit für uns nicht erhältlich sind. Dies ist für alle Beteiligten ein Glücksspiel, denn wir müssen aufgrund der langen Inkubationszeit davon ausgehen, dass Patienten grundsätzlich ohne wahrnehmbare Symptome infiziert sein könnten. Eine Behandlung erfolgt nur Zentimeter vor den Mündern unserer Patienten entfernt. Abstand zu halten, ist für uns bei der Behandlung unmöglich. Deshalb ist das Risiko der Ansteckungsgefahr bei unzureichender Schutzausrüstung für unsere Patienten, unsere MitarbeiterInnnen und selbstverständlich auch für alle BehandlerInnen besonders hoch.
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  3. Eine im März 2020 auf nature.com veröffentliche Untersuchung aus China (Transmission routes of 2019-nCoV and controls in dental practice) betrachtet die bei fast allen zahnärztlichen Behandlungen entstehenden Aerosole als bedeutenden Infektionsweg bei der Ausbreitung der Pandemie. Feinste, Virus kontaminierte Tröpfchen in der Luft können bei Raumtemperatur zwischen 2 Stunden bis 9 Tagen infektiös verweilen, bevor sie auf Oberflächen absinken und mögliche Schmierinfektionen verursachen. Aus diesem Grund empfiehlt das RKI mit Stand vom 13.03.2020 für alle Behandler/Innen und HelferInnen mindestens FFP2 Schutzmasken, die aber derzeit nicht zu bekommen sind.
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  4. Zur Aufrechterhaltung der zahnärztlichen Versorgung benötigen wir dringend eine adäquate Schutzausrüstung! Wir fordern Sie auf, dafür zu sorgen, dass auch die Zahnarztpraxen in Berlin mit ausreichend Schutzmasken und Desinfektionsmaterial ausgestattet werden. Nur dann sind wir in der Lage, den uns übertragenen Versorgungsauftrag für die Bevölkerung auch zu gewährleisten. Bisher ist die Versorgung medizinischer Einrichtungen mit Schutzausrüstung in der Stadt unzureichend und wir müssen zum Beispiel in der Berliner Zeitung Interviews lesen, wo sich die KV Berlin und die Berliner Gesundheitssenatorin über die Beschaffung von Schutzmaterial offen herumstreiten.
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  5. Es ist unabdingbar, schnell weitere spezifische Versorgungsstrukturen aufzubauen. Sollte es auf absehbare Zeit nicht möglich sein entsprechende Schutzausrüstung zu erhalten, brauchen wir für infizierte und erkrankte Patienten dringend eine zentrale Anlaufstelle im Sinne eines zahnmedizinischer Zentrums an dem im Worst Case die Versorgung der Patienten übernommen werden kann. Ansonsten steht zu befürchten, dass der uns übertragene Versorgungsauftrag nicht mehr zu leisten sein wird und das Berliner Gesundheitssystem, was die zahnmedizinische Versorgung anbetrifft, kurzfristig auf einen Kollaps zusteuert.
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  6. Zurzeit sind wir gezwungen, zahnärztliche Behandlungen zu verschieben bzw. ausfallen zu lassen. Absehbar ist auch, dass Praxen aufgrund einer Infektionen der BehandlerInnen oder der MitarbeiterInnen neben der schon praktizierten Einführung von Kurzarbeit auch ganz zu schließen sein werden. Hieraus ergeben sich absehbar für viele Zahnarztpraxen wirtschaftlichen Konsequenzen, die sie nicht zu tragen in der Lage sein werden und ausgeglichen werden müssen. Außer den Arbeitsplatzen in den Zahnarztpraxen stehen auch viele Arbeitsplätze im Zahntechnikerhandwerk und anderen begleitenden Berufen auf dem Spiel.
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  7. Die für die Krankenhäuser und niedergelassenen Ärzte mit dem „COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzgetroffene Regelung muss daher zwingend auch für die Zahnarztpraxen gelten und uns ist nicht nachvollziehbar und macht uns einfach nur fassungslos, weshalb die Zahnärzteschaft nicht mit wenigen Sätzen gleich mit in das Gesetz aufgenommen wurde?
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  8. Über einen gemeinsamen AUFRUF der Bundeszahnärztekammer e. V. und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung K.d.ö.R. 23.03.2020 haben wir erfahren, dass sowohl Schutzmateriallieferungen als auch gesetzliche Regelungen zur wirtschaftlichen Absicherung der zahnärztlichen Praxen auch für die von Ihnen, Herr Minister Spahn, zugesagt sein sollen.
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  9. Alle Praxen haben jedoch mit dem Problem zu tun, sich von den zuständigen Aufsichtsbehörden und leider auch von den eigenen Selbstverwaltungskörperschaften alleingelassen zu fühlen. So dass es pure Verzweiflung ist, dass selbst eine kleine Wahlliste wie wir es sind Ihnen einen Offenen Brief schickt und um Hilfe bittet.
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  10. Die zahnärztlichen Praxen benötigen zur Aufrechterhaltung der zahnärztlichen Versorgung dringendst geeignetes Schutzmaterial und auch eine gesetzliche wirtschaftliche Krisenabsicherung, wie es die Krankenhäuser und die Ärzte bereits erhalten haben.

 

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Müller,
sehr geehrter Herr Bundesminister Spahn,

aus den Reihen der niedergelassenen Zahnarztpraxen gibt es eine riesengroße Bereitschaft, bei der Überwindung der Krise zu helfen. Und wir sind sicher, dass es im Interesse aller ist, das weitgehend funktionierende System der zahnärztlichen Versorgung im Land Berlin sowie in allen anderen Bundesländern zu erhalten. Wir sind bereit dabei unseren Beitrag zu leisten – bitten Sie aber eindringlichst für unsere Patienten und für alle im zahnärztlichen Bereich Beschäftigten und deren Familien um allerschnellste Hilfe.

Vielen Dank und
mit freundlichen Grüßen

INITIATIVE UNABHÄNGIGE ZAHNÄRZTE BERLIN (IUZB) e.V.

 

 

Gerhard Gneist
1. Vorsitzender
und
Mitglied der Delegiertenversammlung ZÄK Berlin
Mitglied Vertreterversammlung KZV Berlin

 

 

 

Dr. Helmut Dohmeier-de Haan
2. Vorsitzender
und
Mitglied der Delegiertenversammlung der ZÄK Berlin
Mitglied der Vertreterversammlung der KZV Berlin

 

 

PS.
Den gemeinsamen Aufruf der BZÄK und der KZBV vom 22.03.2020 und den „Brandbrief“ der Zahnärztekammer Berlin vom 27.03.2020 unterstützen wir inhaltlich voll und ganz.