Abgeordnetenhaus: Verfolgung von Delikten im Gesundheitswesen

Abgeordnetenhaus, Drucksache 18/15723

Zum Thema:

Verfolgung von Delikten im Gesundheitswesen

In der Antwort auf die Anfrage des Kollegen Schlömer „Zum Aufkommen von Medizinaldelikten und deren Umgang damit in Berlin – Drucksache 18/12333 – hat der Senat folgende Angaben zum Bereich „Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen“ gemäß polizeilicher Kriminalstatistik gemacht:
2012: 1.111 Fälle
2013: 175 Fälle
2014: 753 Fälle
2015: 1.059 Fälle
2016: 85 Fälle
Die extrem hohen Schwankungen der angezeigten Straftaten zwischen den Jahren erklärte der Senat mit Bearbeitungszeiten bzw. Abschlussdaten von Großverfahren. Bearbeitungszeiten und Abschlussdaten „von Großverfahren“ mögen die Bearbeitungsgeschwindigkeit, aber sicherlich nicht das Anzeigeverhalten beeinflussen:

Frage 1) Wie haben sich diese Zahlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt entwickelt?

Zu 1.: Für das Jahr 2017 weist die veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 3051 Fälle des Abrechnungsbetruges im Gesundheitswesen aus. Ausschlaggebend für die hohe Zahl ist ein Großverfahren mit rd. 3.000 Untervorgängen gegen einen Arzt, welches in 2016 bearbeitet worden ist, jedoch erst in 2017 abgeschlossen werden konnte. Auf den zu erwartenden deutlichen Anstieg in 2017 wurde bereits in der Schriftlichen Anfrage – Drucksache 18/12333 – hingewiesen.

 

Frage 2) Welches oder welche Kommissariate sind beim LKA Berlin im Einzelnen mit Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen befasst?

Zu 2.: Derzeit sind in der Abteilung 3 des Landeskriminalamtes (LKA) Berlin die Dienststellen LKA 346 und LKA 347 mit der Bearbeitung von Fällen des Abrechnungsbetruges befasst.

 

Frage 3) Ist es in diesen eine gängige Praxis, Verfahren ungetrennt an die Staatsanwaltschaft zu leiten, d. h. mehrere separate Strafanzeigen lediglich unter einer Vorgangsnummer zusammengefasst zu führen und an die Staatsanwaltschaft Berlin zu übermitteln?

Zu 3.: In Fällen im Sinne der Fragestellung, in denen strafprozessuale Maßnahmen zu treffen sind und deshalb eine juristische Betrachtung durch die Staatsanwaltschaft erforderlich ist, hat sich die Anlage sogenannter Sammelverfahren bewährt.

 

Frage 4) Wie viele Anzeigen der gesetzlichen Krankenversicherer (bzw. in deren Auftrag) wurden in den entsprechenden Kommissariaten in den Jahren 2012 bis heute jährlich (nicht unbedingt abschließend, also inklusive Liegevermerken) bearbeitet?
Frage 5) Wie viele Anzeigen privater Krankenversicherer wurden in diesen Kommissariaten jährlich bearbeitet (nicht unbedingt abschließend, also inklusive Liegevermerken)?
Frage 6) Wie viele Anzeigen von Privatpersonen wurden in diesen Kommissariaten jährlich bearbeitet (nicht unbedingt abschließend, also inklusive Liegevermerken)?

Zu 4., 5. und 6.: Durch die Polizei Berlin werden Daten im Sinne der Fragestellung nicht erhoben.

 

Frage 7) Werden Anzeigen gegen mehrere Ärzte eines Krankenhauses oder einer Praxis, die jeweils getrennt eines Abrechnungsbetruges beschuldigt werden, immer einzeln geführt oder mit nur einer Vorgangsnummer?

Zu 7.: Die Frage lässt sich aufgrund der Komplexität der unterschiedlichen juristischen Beurteilungen von Erscheinungsformen des Abrechnungsbetruges nicht eindeutig beantworten. Bei einer Gemeinschaftspraxis oder auch Berufsausübungsgemeinschaft würde keine Trennung erfolgen, bei einer Praxisgemeinschaft hingegen schon. Bei Ärzten eines Krankenhauses erfolgt eine getrennte Erfassung, wenn unterschiedliche Sachverhalte zu Grunde liegen, regelmäßig z.B. bei dem Verdacht des Abrechnungsbetruges im Zusammenhang mit der Ermächtigung zur Durchführung bestimmter medizinischer Leistungen. Anders kann es hingegen bei der Abrechnung von stationären Leistungen sein.

 

Frage 8) Werden Anzeigen wegen Abrechnungsbetruges und Anzeigen wegen anderer Delikte getrennt geführt, wenn es sich um verschiedene Beschuldigte handelt?

Zu 8.: Nein, mehrere Beschuldigte sind kein grundsätzlicher Anlass, tateinheitliches Handeln zu trennen.

 

Frage 9) Trifft es zu, dass für die Polizei Berlin – wenn ja, seit wann und in welcher Vorschrift – folgende Regelung gilt: „Liegen mehrere Handlungen vor, durch die mehrere Straf- und/oder Ordnungswidrigkeitentatbestände verletzt wurden (Tatmehrheit) oder verschiedene Geschädigte betroffen waren, dann sind für die Straftaten grundsätzlich jeweils einzelne Vorgänge in POLIKS zu fertigen“?
Falls ja, sind in den Jahren 2012 bis heute (wenn ja, wie viele?) Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter des LKA 34 eingeleitet worden, weil diese gegen eine solche Anweisung verstoßen haben sollen, indem entgegen der Weisung getrennte Delikte in POLIKS zusammengefasst worden sind?

Zu 9.: Die in der Fragestellung genannte Regelung ist in der Geschäftsanweisung (GA) LKA Nr. 6/2007 über die Erfassung Polizeilicher Tätigkeiten und deren Eingabe in das Polizeiliche Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) enthalten, welche am 27. Februar 2008 in Kraft trat. Von der zitierten Regelung gibt es Ausnahmen, nämlich immer dann, wenn sich tatmehrheitliches Handeln als natürliche Handlungseinheit darstellt. Dann ist der Sachverhalt tateinheitlich zu erfassen. Da die Trennung im Einzelfall schwierig ist oder auch einer juristischen Expertise bedarf, werden strittige Fälle der Staatsanwaltschaft zur Entscheidung vorgelegt.
Verstöße im Sinne der Fragestellung sind dem Senat nicht bekannt.

 

Frage 10) Erhält jeder Bürger – automatisch oder jedenfalls auf Nachfrage – für gestellte Strafanzeigen eine Vorgangskennnummer für diese Anzeige?

Zu 10.: Ja.

 

Frage 11) Wie viele Ermittlungsverfahren aus dem Bereich „Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen“, die vom LKA 34 abschließend polizeilich bearbeitet wurden, wurden in den Jahren 2012 bis heute jährlich durch die Staatsanwaltschaft eingestellt (bitte absolute und relative Zahlen und – so-fern zu 2) mehr als ein Kommissariat genannt wurde, geschlüsselt nach Kommissariaten)?

Zu 11.: Ermittlungsverfahren aus dem Bereich „Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen“ und die bearbeitende Polizeidienststelle können über das Aktenverwaltungssystem der Strafverfolgungsbehörden nicht abgefragt werden. Seit dem Jahr 2015 steht zwar die Nebenverfahrensklasse „Pflege“ zur Verfügung, diese betrifft jedoch nur Betrugsverfahren gegen Pflegedienste.

 

Frage 12) Welches Kommissariat ist für die Verfolgung von Delikten nach § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 – 7 StGB zuständig?

Zu 12.: Laut Zuständigkeitssachregister werden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Strafgesetzbuch) im Sinne der Fragestellung in den Abschnittskommissariaten geführt.