Meinung: Leserbrief zu „Betrug mit fünf Sternen“ für SPIEGEL Nr. 29 vom 14.07.2018

Onlinebewertungen zu Ärzten, Hotels, Händlern
So werden Sie betrogen
Viele Rezensionen auf Onlineportalen sind gefälscht. Was Verbraucher wissen müssen.

Erschienen in Spiegel+ für Abonnenten am 13./14. Juli 2018

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Leserbrief zu „Betrug mit fünf Sternen“
für SPIEGEL Nr. 29 vom 14.07.2018

Das Problem bei Portalen, die Bewertung mit Werbung kombinieren, sind nicht die gekauften Bewertungen. Jameda lebt von zahlenden Ärzten und Zahnärzten und nimmt für sich – unter dem Vorwand der Informationsfreiheit – in Anspruch, alle Ärzte im Portal aufführen zu dürfen, auch die, die das gar nicht wollen. Jetzt passiert, was passieren muss: zahlende Ärzte haben die besseren Bewertungsdurchschnitte, die sehr einfach zu manipulieren sind. Schlechte Bewertungen dürfen offiziell keine Schmähkritik und keine Tatsachenbehauptungen enthalten und was das jeweils ist, ist sehr interpretierbar.
Schlechte Bewertungen bei zwangsrekrutierten Ärzten durchzuwinken, bei zahlenden Ärzten eher zu blockieren, führt schnell, unauffällig und für das Portal lukrativ zum erwünschten Ergebnis, setzt Nicht-Kunden unter Druck, Kunde zu werden. Aber selbst wenn es die schönen Profilfotos der Kunden sind, die zu diesem auffälligen Ergebnis führen – die ZEIT hat es am 18.1. recherchiert – wäre es immer noch inakzeptabel, dass bei einem Bewertungsportal zahlende Kunden besser abschneiden, als nicht zahlende.

Der ehemalige Vorsitzende des Bundesgerichtshofes, Wolfgang Büscher, hat den Kern des Problems in seinem wegweisenden Artikel „Soziale Medien, Bewertungsplattformen und Co“ 2017 analysiert*. Sobald ein Bewertungsportal für zahlende Kunden Werbe- und Präsentationsmöglichkeiten anbietet, hat die informationelle Selbstbestimmung der Teilnehmer Vorrang vor der Informationsfreiheit des Portalbetreibers. Konkret heißt das, dass ein Kombinationsportal Werbung/Bewertung auf keinen Fall Teilnehmer zwangsrekrutieren darf, sondern alle Teilnehmer ihr ausdrückliches Einverständnis geben müssen. Andernfalls kommt das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb zur Anwendung. Das macht ja auch Sinn, denn wenn zahlende Ärzte bei Jameda besser abschneiden als nicht zahlende Kollegen, dann läuft das auf eine flächendeckende Korrumpierung im Gesundheitswesen hinaus.

 

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Dr. Dr. Peter Gorenflos,
Berlin
www.gorenflos.de

 

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*Quelle: GRUR Prax, 2017, 433, Beck, insbesondere Kapitel 3, Seite 8ff,
Empfehle auch: mein NDR Interview zum Thema am 21.8. um 20.15

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors des Leserbriefs
Anmerkung: Leider wurde dieser Leserbrief vom SPIEGEL nicht abgedruckt