LG: Unklare Versicherungsbedingungen gehen bis zur Grenze der Treuwidrigkeit zu Lasten der Krankenversicherung

Beharrlichkeit kann sich auszahlen. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht Duisburg eine private Krankenversicherung zur Erstattung hoher Aufwendungen für Zahnersatz verurteilt. Die Versicherung wollte nur Kosten bis zu einem bestimmten Satz erstatten. Die Versicherungsbedingungen waren jedoch nicht eindeutig formuliert und diese Unklarheit musste sich die Versicherung anrechnen lassen.

Aus dem Tatbestand:

Der Kläger schloss mit dem beklagten Versicherer 1982 eine Krankheitskostenversicherung für sich und seine Ehefrau ab. Nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen hat der Versicherer im Versicherungsfall, der medizinisch notwendigen Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen, unter anderem Ersatz von Aufwendungen für die Behandlung zu leisten. Erstattungsfähig sollten nur die Gebühren sein, die den jeweils gültigen Gebührenordnungen für Ärzte bzw. Zahnärzte entsprechen. Eingeschlossen in den Vertrag ist der Tarif MZ. Die zur Zeit des Vertragsschlusses geltenden MB/KK 76 sehen in Teil 11 für den Tarif MZ die Erstattung von Aufwendungen für
1. konservierende Zahnbehandlung,
2. Extraktion, Zahnfleischbehandlung,
3. Krone, Brücke, Gussfüllung,
4. Zahnprothesen,
5. Zahn- und Kieferregulierung unter Ausschluss der Kosten für Immediatprothesen vor.
Nach Teil 111 der Bedingungen beträgt die Erstattung für Krone, Brücke, Gussfüllung und Zahnprothesen, zusammengefasst als Leistungsposition B, 80 %, für die übrigen Maßnahmen, Leistungsposition A, 100 %.

Aus den Entscheidungsgründen:

  • Die von der Beklagten gestellten Versicherungsbedingungen sind aus der Perspektive eines durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers auszulegen.
  • Leistungseinschränkungen müssen so klar formuliert sein, dass der Versicherungsnehmer durch ihre Lektüre bei Aufwendung üblicher Aufmerksamkeit in die Lage versetzt wird, von ihnen Kenntnis zu nehmen. Die Formulierung
    Erstattungsfähig sind nur Gebühren, die den jeweils gültigen Gebührenordnungen entsprechen
    erfüllt diese Anforderungen nicht. Sie lässt unterschiedliche Interpretationen zu.
  • Der Versicherungsnehmer muss nicht beim Versicherer, der die Bedingungen gestellt hat, nachfragen, was gemeint sein soll. Er darf erwarten, dass der Versicherer die Gebühren erstattet, die sich bei nach der Gebührenordnung unter Einschluss von dieser zugelassener Honorarvereinbarungen zulässiger Abrechnung ergeben.

Die Erstattungsfähigkeit ist auch nicht nach Treu und Glauben oder unter dem Gesichtspunkt des in § 315 Abs. 3 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens auf den 2,3-fachen bzw. 3,5-fachen Gebührensatz beschränkt. Die Versicherungsbedingungen der Beklagten mögen zur Folge haben, dass Versicherte nach freiem Belieben Honorarvereinbarungen mit Ärzten schließen und so den Versicherer zu gleichsam uferlosen Erstattungen von Behandlungskosten verpflichten können. Gegenstand der Versicherung sind nach § 1 MB/KK 76, Teil I, allerdings die Kosten einer notwendigen Heilbehandlung und nicht etwa die notwendigen Kosten einer notwendigen Heilbehandlung. Diese – übrigens mit § 192 Abs. 1 VVG gegenwärtiger Fassung übereinstimmende – Regelung verhindert, dass der Versicherte das Risiko zu tragen hat, sich zu marktgerechten Konditionen behandeln zu lassen.

  • Der Möglichkeit des Versicherten, durch seine Entscheidung eine Erstattungspflicht des Versicherers für Behandlungskosten in das Marktübliche überschreitender Höhe herbeizuführen, sind nach Treu und Glauben Grenzen gesetzt.

Diese werden aber nicht schon deshalb überschritten, weil eine – zumal nach § 2 Abs. 1 GOZ ausdrücklich zugelassene – Überschreitung der in der Gebührenordnung vorgesehenen Gebührensätze vereinbart wird.

  • Hinzu kommen muss ein treuwidriges Verhalten des Versicherten oder des Versicherungsnehmers.

Hierfür ist im Falle des Klägers und seiner Ehefrau nichts ersichtlich.

Das Urteil des Landgericht Düsseldorf vom 14.02.2017 – Az 1 O 86/16 – ist sehr ausführlich und umfasst 40 Seiten.

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