Ohrfeige auf Einladung

Wahlbeobachter hatten bei der Kammerwahl Unregelmäßigkeiten festgestellt. Der Berliner Zahnarzt Frank Bloch, ein Mitglied der Delegiertenversammlung, hatte darauf am Ende der Widerspruchsfrist Widerspruch eingelegt und kurz vor der ersten Sitzung der Delegiertenversammlung eine einstweilige Verfügung gegen diese Sitzung beantragt. Dieser Antrag wurde abgewiesen, teils aus formalen Gründen (man hätte zunächst die Kammer auffordern sollen, die Sitzung abzusagen – in diesem Zeitrahmen leider nicht machbar), teils aus inhaltlichen Gründen (die zusammengetragenen Berichte der Wahlbeobachter – das hatte Zeit gedauert – hatten keine Mengenangaben enthalten, die eine Aussage zuließen, dass das Fehlen dieser Unregelmäßigkeiten zu einem anderen Ausgang der Wahl hätte führen können). Soweit, so ärgerlich. Hunderte ungültige Stimmen bei einer Kammerwahl unter Mitgliedern, die ohne Ausnahme lesen und schreiben können … das stinkt.

Aber das wird man hinnehmen müssen, wenn eine Justiz nach harten Fakten urteilen soll – nicht nach Geruch und Befindlichkeit.

Interessant ist dann aber das Nachspiel der Anwälte der Berliner Zahnärztekammer. Diese hatten den vom Verwaltungsgericht angesetzten Streitwert von 2.500 € beanstandet, der Streitwert sei doch eigentlich weit über 40.000 €, so viel koste nun mal eine neue Kammerwahl. Und nach diesem Streitwert wollten sie auch ihre Bemühungen gegenüber dem Antragsteller in Rechnung stellen. Das wäre ihnen wahrscheinlich nicht eingefallen, wenn sie verloren hätten.
Aber zum Verlieren ist es nie zu spät.
Noch interessanter als dieser Versuch, einen schnellen Schnitt zu machen, ist die Antwort des Oberverwaltungsgerichts auf diese Beschwerde: Zunächst einmal fragt es sich zu Recht, worin denn der Nachteil für die Kammer liegt, wenn alle beteiligten Rechtsanwälte nach diesem niedrigen Streitwert abrechneten. Ein solcher Nachteil ist Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde. Und dann zeigt das Gericht, dass es dieses Manöver der Kammer durchaus durchschaut. Abschreckung heisst die Devise, teuer soll es den zustehen kommen, der aufmuckt. Und das Gericht verweist die Berliner Zahnärztekammer auf einen Paragraphen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, der einen allgemeinen Rechtsgrundsatz enthält: § 226 BGB mit der Überschrift „Schikaneverbot“. Danach ist es unzulässig, ein Recht auszuüben nur um jemandem zu schaden. Goldene Worte und so treffend. Eine Ohrfeige für eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die Opposition teuer machen will.
Dass das Oberverwaltungsgericht dann die Berechnung des Verwaltungsgerichts bestätigt, sei nur der Vollständigkeit nachgetragen.
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Gerhard Gneist

  • 1. Vorsitzender IUZB e.V.
  • Delegierter der Zahnärztekammer Berlin