Flüchtlingshilfe: Zahnärztlicher Bericht vom Standort Moabit

Bericht von Zahnarzt Herrn Dr. Helmut Dohmeier-de Haan von Montag, 31 August 2015, 23:17 Uhr – Standort LaGeSo, Turmstraße/Moabit:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

an der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge vor dem Lageso ( Turmstraße) hat sich seit Mittwoch letzter Woche nichts geändert.  Nach wie vor finden die Behandlungen aller Patientinnen und Patienten in einem Raum statt. Die hierfür zwischenzeitlich zur Verfügung gestellten Zelte sind für eine medizinische Betreuung unbrauchbar.

Die aktuelle Situation im Haus C ist, dass auf vier Plastikstühlen (alle ohne eine Kopfstütze) und einer Bank parallel die verschiedenen Fachrichtungen behandelnd tätig sind.

Heute nachmittag (31.08.) waren es ein Chirurg, eine Internistin, ein Psychotherapeut, eine junge zahnärztliche Kollegin und ich.

In einer provisorisch eingerichteten Abtrennung innerhalb des Raumes, können Patient(Inn)en unter Sichtschutz auf einer Liege untersucht werden. Daneben sind immer auch Krankenschwestern, Pfleger und Übersetzer in dem Raum anwesend, sodass es keine Seltenheit ist, wenn 10 bis 12 Personen gleichzeitig in dem unklimatisierten Raum arbeiten. Hier lagern auch alle Medikamente und sonstigen Materialien.

Der Versuch Struktur in die ärztliche Versorgung zu bringen, steckt noch immer in den Anfängen.

Was die zahnmedizinische Notfall-Versorgung anbetrifft, kann die Untersuchung – wie in der Brienner Straße (Wilmersdorf) – nur mit Einmalspiegel oder Holzspatel vorgenommen werden. Eine Sterilisation von Instrumenten ist in Ermangelung eines Gerätes nicht möglich. Einmalhandschuhe, Mundschutz und verschiedene Desinfektionsflüssigkeiten sind vorhanden. Antibiotika, Schmerzmittel, Zahnpasta und Zahnbürsten ebenfalls.

Ein besonderes Problem ergab sich bei der Überweisung von dringenden (zahnärztlichen) Schmerzfällen in die zur Mitarbeit bereiten Praxen. Die Patienten haben Angst hierfür das Gelände in der Turmstraße zu verlassen weil sie sich in einem Wartezustand befinden und nicht wissen, wann ihre ihnen zugeteilte Nummer aufgerufen wird. Da die Wartezeit für ihre Erstregistrierung mehrere Tage betragen kann und nur für schwerste Notfälle Ausnahmen gemacht werden, laufen sie Gefahr, ihr Registrierungsprozedere eventuell von vorne beginnen zu müssen. Auch werden die wenigsten männlichen Patienten das Gelände ohne ihre gesamte Familie verlassen. Die Angst, in dieser Situation und in fremder Umgebung von Ihren Angehörigen (Kindern) getrennt zu werden, ist groß.

Insgesamt bleibt die Situation für die hilfesuchenden Patienten absolut unhaltbar und unwürdig. Am Nachmittag wurde bekannt, dass aufgrund der Entwicklung in Ungarn am Dienstag mit der Ankunft eines weiteren großen Kontingents von Flüchtlingen in Berlin gerechnet wird.  Da auch das nicht das Ende der Flüchtlingswelle sein wird, ist meiner Meinung nach absehbar, dass  die medizinische Versorgung in der jetzt praktizierten Form nicht mehr lange funktionieren kann.

Soviel für heute. Sollten sich in den nächsten Tagen entscheidende Veränderungen ergeben, werde ich Sie/Euch auf diesem Wege erneut informieren.

Herzliche Grüße

Dr. H. Dohmeier-de Haan