Flüchtlingshilfe: Was erwartet zahnärztliche Helfer vor Ort?

Hier – ungefiltert ! – zwei erste Vor-Ort-Berichte von Herrn Dr. Peter Nachtweh vom Standort Fehrbelliner Platz.

Herr Gerhard Gneist hingegen hält sich oft am LaGeSo in der Turmstraße auf. Dort ist die Situation noch viel schlimmer! Demnächst soll auch noch ein Standort in Spandau eröffnet werden.

Wer gerne helfen möchte, der kann sich damit ein erstes Bild darüber machen, was ihn erwartet.

Es handelt sich hier um erste provisorische Hilfsmaßnahmen, weil es vor Ort jetzt nun einmal Menschen mit Zahnschmerzen gibt, welche momentan (vorübergehend) außerhalb des Gesundheitssystems stehen.  Ansonsten warten die zahnärztlichen Helfer auf das, was die Zahnärztekammer Berlin und die KZV Berlin, eventuell zusammen mit anderen Trägern/Behörden, demnächst organisatorisch auf die Beine stellen und dann die Regie übernehmen wird. Seitens der Kammer ist eine Koordinierungssitzung am kommenden Mittwoch (02.09.2015) angesetzt. An dieser Sitzung werden die beiden Zahnärzte Herr Gneist und Herr Dr. Nachtweh teilnehmen, welche jetzt bereits vor Ort helfen.

Ansonsten an dieser Stelle an alle zahnärztlichen Helfer/Innen herzlichen Dank, die sich vor Ort engagieren oder ihre Praxen auch für „ohne grünen Schein-Behandlungen“ anbieten!

  • Wer mithelfen möchte, möge bitte mit den bereits vor Ort tätigen zahnärztlichen Helfern Kontakt aufnehmen und sich am besten persönlich mit diesen besprechen.
  • Bitte auch selbst in den Online-Verfügbarkeits-Dienstplan, welcher auch eine Online Adressenliste der vor Ort Helfer und eine Online-Praxenliste enthält, eintragen.
  • Die Links zu den Online-Plänen stehen in unseren beiden letzten Rundmails vom 26.08.2015 und 28.08.2015, bzw. können jederzeit bei mir erfragt werden: xxx.xxxxxx@iuzb.xxx
  • Außerdem habe ich noch einen (vorübergehenden) eMail-Verteiler „Flüchtlingshilfe“ eingerichtet. Dort werden automatisch alle aufgenommen, welche sich wegen der Flüchtlingshilfe an uns wenden. Wer ansonsten in diesen Verteiler aufgenommen werden möchte, kann sich gerne an mich wenden: xxx.xxxxxx@iuzb.xxx

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Bericht von Freitag, 28. August 2015, 14:51 Uhr – Standort Fehrbelliner Platz

Lieber Herr Ge…..,
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ich habe Ihre Antwort an Frau xxx zur Kenntnis genommen. Aber ich glaube, dass auch diese Kollegin die Umstände der Flüchtlingshilfe verkennt. Sie geht wohl davon aus, dass sie vor Ort zahnärztlich behandelt kann. Das ist nicht der Fall. Sie muss auch aufgeklärt werden, was sie für die Voruntersuchung aus ihrer Praxis selbst mitbringen muss. Vorhanden ist nichts.
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Dann hat ihre Tätigkeit wenig Sinn, wenn sie nicht auch gleichzeitig dafür Sorge trägt, wo die behandlungsbedürftigen Patienten ein oder zwei Tage später behandelt werden können. Es würde mehr Sinn machen, wenn sie an den zwei Vormittagen in ihrer Praxis im Block vier bis sechs Patienten behandeln könnte. Erst für diese Anzahl lohnt es sich, wenn eine Dolmetscherin für mehrere Stunden vom Rathaus abgezogen wird. Dann muss noch sichergestellt werden, dass der Bus des ASB die Fahrten durchführt.
Es sind jeweils zwei Fahrten anzusetzen, hin und zurück. Und wenn eine Praxis von Wilmersdorf zu weit weg angesiedelt ist, fährt der Bus nicht. Hier sind die Kosten und der Zeitaufwand vom Rathaus Wilmersdorf nach Tegel und weiter zu gross.
Ich habe mit den beiden Zahnärztinnen, die heute und morgen Dienst machen telefoniert. Sie wollten nur vor Ort behandeln.
Ich bin gespannt, wohin die Patienten geschickt werden.
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Vielleicht sollten Sie die Aufrufe, sich in Listen einzutragen, mit mehr Informationen versehen.
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Gruss P. N.

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Bericht von Donnerstag, 27. August 2015, 20:19 Uhr – Standort Fehrbelliner Platz

Meine Herren, guten Abend,

ich gebe Ihnen einen ersten Erfahrungsbericht von meinem heutigen Einsatz vormittags in der Praxis und nachmittags im temporären Wohnheim für Flüchtlinge im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf am Fehrbelliner Platz.

Hier hat eine Kinderärztin ein hervorragend ausgerüstetes Gesundheitszentrum eingerichtet und auch die Auslastung und Nutzung für die Betroffenen sehr gut organisiert. Zahnärzte / Zahnärztinnen sind herzlich willkommen und werden auch dringend gebraucht, weil sehr viele Flüchtlinge akute, aber auch chronische Zahnprobleme haben.

Zur Verfügung steht den einsatzbereiten Zahnärzten/innen nur ein einfacher Stuhl. Gleich hier habe ich die dringende Bitte, dass wir versuchen sollten, einen einfachen Behandlungsstuhl mit einer Kopfstütze für den Patienten und einen Arbeitsstuhl für den Arzt zu organisieren. Anschlussmöglichkeiten sind natürlich nicht vorhanden und auch nicht nötig, denn die Kleinigkeiten, die man für eine klinische Untersuchung braucht, kann der diensthabende Zahnarzt/in mitbringen. Dabei hat er den Vorteil, dass er/sie mit ihm/ihr vertrauten Instrumenten untersucht. Mitzubringen sind also eine Taschenlampe oder Stirnlampe, Mundspiegel, Sonde und einige zahnärztliche Pinzetten, ein paar Watterollen, Untersuchungshandschuhe, gegebenenfalls auch ein Mundschutz. Der Untersuchende sollte gut vorbereitet sein, wenn es nun anschließend darum geht, den Patienten eine Notbehandlung in einer zahnärztlichen Praxis zu vermitteln. Eine Liste mit Zahnärzten/innen, die eine Behandlung meist ohne, selten mit einer grünen Versicherungskarte durchführen können, gibt es vor Ort nicht. Die helfenden Hände (Krankenschwestern) sind zwar bereit, eine Gruppenreise zu einem Zahnarzt/in zu organisieren, aber wohin es gehen kann, wissen sie nicht. Am leichtesten wäre es, wenn der Untersucher gleich einige Patienten an sich selbst verweist, oder sich vorher mit anderen Kollegen abstimmt. Der ABS – Dienst ist auch logischerweise nicht bereit, von Wilmersdorf nach Reinickendorf zu fahren. So müssen wir uns aufteilen und nach Etablierung einer weiteren zahnärztlichen Untersuchungsstelle in der Turmstraße, für diese Region auch Behandlungsplätze in den nördlichen Stadtteilen anbieten, um die Wege für alle zu verkürzen. Nach meiner Erfahrung genügt es, wenn sich die Zahnärzte oder Zahnärztinnen im Zweitageturnus, also Montag, Mittwoch und Freitag als Voruntersucher in den Dienstplan eintragen. Die Zahnärzte/innen sollten auch Blockzeiten für die Behandlung einrichten und anbieten, denn es ist nicht möglich, den Schmerzpatienten mal eben zwischendurch zu behandeln, weil vier, fünf Patienten mit einem Dolmetscher und auch mit Vater oder Mutter geschlossen gebracht und auch wieder abgeholt werden und in der Zwischenzeit das Wartezimmer blockieren.

Bei unseren zahnärztlichen Behandlungsmaßnahmen müssen wir uns nicht nur aus den wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf die Schmerzsituation des Patienten beschränken, denn eine Sanierung ist auch deshalb nicht nötig, weil in den provisorischen Unterkünften eine große Fluktuation herrscht. Die meisten Flüchtlinge verlassen Berlin bereits wieder nach wenigen Tagen.

Und dann kommen die nächsten Flüchtlinge wiederum mit akuten Zahnschmerzen und bitten um Hilfe.

Nach einer zahnärztlichen Behandlung ist die Dankbarkeit dieser Menschen riesengroß und entschädigt für den fehlenden Schein.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Nachtweh